Rezension

bewegend, gefühlvoll, wunderschön

Träume, die ich uns stehle - Lily Oliver

Träume, die ich uns stehle
von Lily Oliver

Bewertet mit 5 Sternen

Lara leidet an Amnesie und bemüht sich, auf verschiedene Weisen, ihre Erinnerungslücken wieder mit Leben zu füllen. Doch so sehr sie sich auch anstrengt, sie bekommt die Zeit, die ihr fehlt, einfach nicht zu greifen. Obwohl sie redet und redet und ihre Worte manchmal gar nicht stoppen kann, fehlt der zündende Funken, um ihre Geschichte neu erleben zu können.

Als die junge Frau auf Thomas trifft, scheint sie jemanden gefunden zu haben, der ihr den Raum gibt, den sie braucht, um ihre Worte raus zu lassen. Aber Thomas kann ihr nicht antworten, denn seit einem Unfall liegt er im Koma.

Zwei junge Menschen, die durch Schicksalsschläge aus dem Leben gerissen wurden und nun einen Stück ihres harten Weges gemeinsam gehen. Es wird sehr gefühlvoll und anders, als man zunächst erwartet.

 

Die Geschichte wird aus zwei Ich-Perspektiven erzählt, so dass man einen sehr intensiven und lebhaften Einblick in die Welten der Protagonisten bekommt. Man erfährt viel über die Gedanken, die die beiden beschäftigen und immer wieder durch ihre Köpfe rauschen, manchmal ohne sich so richtig zu sortieren. Und auch die aufgewühlten Gefühlswelten rücken immer wieder in den Mittelpunkt. Freude, Hoffnung, Zweifel, Angst, Hilflosigkeit, Vertrautheit, Geborgenheit – die Emotionen schlagen in ganz verschiedene Richtungen und man kann sich im Verlauf des Buches immer besser in die Protagonisten hineinversetzen und mit ihnen fühlen, leiden und hoffen.

 

Zwar überwiegen die Passagen von Lara, aber die Abschnitte aus Thomas‘ Sicht sind dafür etwas ganz Besonderes. Der junge Protagonist ist in seiner Welt gefangen und erlebt Dinge, die man sich selbst kaum vorstellen kann. Wie sieht es in einem aus, wenn man im Koma liegt? Was bekommt man mit, was spürt man, was kann man einordnen, was zieht an einem vorbei? Es gibt unzählige Möglichkeiten und es wird bei fast jedem Betroffenen anders sein und ablaufen. Thomas‘ Weg dürfen wir begleiten und es hat mich sehr bewegt und beschäftigt, was in ihm vorgeht.

 

Da auch Lara Patientin im Krankenhaus ist, verbringt man viel Zeit auf den verschiedenen Stationen. Ich fand jedoch, dass die medizinischen Details nicht zu sehr in den Mittelpunkt gerückt wurden. Natürlich ist es immer wieder ein Thema, wie sich die Dinge bei den beiden entwickelt und dafür sind auch mal Fachausdrücke nötig. Da aber Lara ebenfalls Laie auf dem Gebiet ist, werden die Aspekte, die wichtig sind, verständlich und nachvollziehbar erklärt, auch wenn man keine medizinischen Vorkenntnisse hat.

Für mich persönlich waren auch die fachlichen Szenen sehr interessant, da ich selbst Krankenschwester bin und im Intensivbereich arbeite. Ich habe also von Berufswegen auch mit diesen Dingen zu tun und man erinnert sich während des Lesens auch an den einen oder anderen Menschen. Dadurch nimmt man manche Passagen vielleicht noch intensiver wahr und kann sich noch mehr in die Momente hineinversetzen, die dort geschildert sind.

 

Besonders schöne finde ich, dass sich das Buch anders entwickelt, als ich es zunächst erwartet hatte. Während Lara an Thomas‘ Bett sitzt und ihm Geschichten erzählt, deuten sich einige Dinge an und man bekommt ein Gefühl dafür, wie manche Sachen gewesen sein oder sich entwickeln könnten. Ich habe teilweise beim Lesen fast vergessen, dass Lara bei ihm im Zimmer sitzt und Sachen erzählt und sie das gar nicht aktuell erleben, so lebendig und anschaulich waren die Abschnitte.

Der Epilog bildet wirklich den krönenden Abschluss der Geschichte, bei dem ich ein paar Tränen vergossen habe. Vielleicht würde der eine oder andere es sich anders wünschen, für mich passte es so aber auf jeden Fall perfekt. Einfach bewegend, berührend und toll.

 

Eine rührende, aufwühlende, nachdenklich stimmende Geschichte mit sehr ernsten Hintergründen, die auch immer wieder eine Rolle spielen. Trotz der ernsten Thematik haben die Protagonisten die Chance sich zu entwickeln und zu entfalten, uns ihr Herz auszuschütten und auch glückliche Momente zu erleben. Ich werde mich, schon allein durch meine Arbeitsstelle, noch lange an das Buch erinnern.

 

Vielen Dank an die Autorin und den Verlag für das vorab bereitgestellte Rezensionsexemplar!