Rezension

Bewegende Suche nach Freundschaft und Liebe

Und damit fing es an - Rose Tremain

Und damit fing es an
von Rose Tremain

Bewertet mit 5 Sternen

….. weil er er war, weil ich ich war. (Montaigne)

Jedes Buch von Rose Tremain ist für mich etwas Besonderes. Ihre Geschichten sind leise, oft von einer stillen Traurigkeit umhüllt, aber immer liebe-und hoffnungsvoll. Ich kenne kaum eine andere Autorin, die es schafft mit wenigen Sätzen ein Leben, einen Charakter oder eine Situation lebendig werden zu lassen. Hier nur ein Satz, der das bestätigt: „………zaubert ein verstecktes Lächeln in das Vogelgesicht des Managers. Er sieht es gern, wenn Frauen sich bei schwerer Arbeit abmühen, es macht sie begehrenswert und gleichzeitig erbärmlich“. Hier sieht man den Charakter des Mannes schon allein durch diesen Satz bloßgelegt. Bei Rose Tremain genügen nur wenige Abschnitte und man taucht in das Leben der Protagonisten, steht an ihrer Seite, ob in Sympathie oder Abneigung.
Sehr gelungen fand ich auch die Schilderung der Schweiz in den Kriegs-und Nachkriegsjahren,  der Makel der undurchlässigen Grenzen und die unterschwelligen Vorurteile der Schweizer Bürger und Behörden und den latent vorhandenen Antisemitismus.
Gustav wächst in der Schweiz späten 40iger Jahre heran, vom beginnenden Wohlstand ist bei ihm und der verbitterten Mutter nicht viel angekommen. Liebe und Geborgenheit sucht er bei Mutter Emilie Perle vergeblich, aber wie könnte sie ihm diese Gefühle geben, sie hat sie doch selbst nie erfahren, auch wenn sie sich bei Gustavs Vater kurze Zeit sich dieser Täuschung hingibt.
Dann gibt es den einen Augenblick im Leben Gustavs, der alles ändert: in der Vorschule wird ein weinender Junge zu ihm gesetzt, zwei kleine Außenseiter sollen sich gegenseitig stützen. Mit der Begegnung wird sich beginnt eine lebenslange Freundschaft.
Der erste Teil, der Gustavs Kindheit beschreibt ist melancholisch, aber der zweite Teil, der seinen Eltern gewidmet ist, ist tragisch. Beide suchen sie Liebe, aber sie finden sie nicht. Im Gegenteil, die Selbsttäuschung schlägt bei beiden Ehepartnern in Verachtung und Mitleid um. Der letzte Teil, schildert Anton und Gustav als Erwachsene, die beide an den seelischen Verletzungen ihrer Kindheit gewachsen sind.
Rose Tremain schildert ihre Geschichte mit unglaublicher Empathie für ihre Figuren, sie verurteilt sie nicht, sie ergreift keine Partei. Sie akzeptiert sie mit ihren Schwächen und Fehlern. Ihre Sprache ist feinsinnig, sensibel, nuanciert und reif. Obwohl es keine großen Ereignisse sind, die das Leben ihrer Hauptfiguren prägen, ist ein ganzer Kosmos von Schicksalen und Sehnsüchten  enthalten. Dieses Buch lege ich nur ungern zur Seite, es lässt mich nicht so schnell los und die Geschichte klingt lange nach. Für mich ist Rose Tremain eine der wichtigsten Stimmen der englischen Literatur und ich wünsche dem Buch viele begeisterte Leser.