Rezension

Bilder einer Ehe auf dem Weg durch Europa

Drei auf Reisen - David Nicholls

Drei auf Reisen
von David Nicholls

Bewertet mit 4 Sternen

Seine Frau ist der Meinung, ihre Ehe sei am Ende, doch ihn trifft diese Erkenntnis wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Er würde alles tun, um sie umzustimmen und das drohende Unheil der Scheidung abzuwenden. Kann eine letzte gemeinsame Reise ihre Meinung ändern?

 

Douglas Petersen ist felsenfest davon überzeugt, dass er und Connie zusammen alt werden. Aber kaum will ihr Sohn Albie aufs College ziehen, eröffnet sie ihrem Mann, sie wolle sich von ihm trennen. Dieser ist fassungslos, damit hätte er niemals gerechnet. Und er begreift auch ihre Gründe nicht, stattdessen fühlt er sich genötigt, um sie zu kämpfen. Trotz seiner Bedenken will sie allerdings, dass sie ihre geplante große Reise quer durch Europa zusammen als Familie antreten.
Douglas sieht das als Herausforderung, sie zurückzugewinnen und unternimmt alles ihm Mögliche, um ihr in jenen Wochen die glücklichste Zeit ihres Lebens zu bescheren.
Und gerade diese Bemühungen scheinen alles nur noch schlimmer zu machen.

 

 

Nachdem ich erfahren hatte, dass David Nicholls’ neustes Buch bald auf Deutsch erscheinen würde, musste ich mich einfach bei der Leserunde af Wasliestdu? dazu bewerben. Und obwohl mir Drei auf Reisen nicht ganz so gut gefallen hat wie Zwei an einem Tag, konnte es mich trotzdem begeistern.
Besonders die Figuren fand ich toll gestaltet. Da die Geschichte aus seiner Sicht erzählt wird, erfährt man natürlich am meisten über Douglas, seine Gedanken, Gefühle und Beweggründe. Er ist kein einfacher Charakter, gefangen in seinen Wert- und Lebensvorstellungen für sich und seine Familie, die es ihm schwer machen, seine Empfindungen verständlich auszudrücken. Er glaubt zu wissen, was das Beste für seine Frau und seinen Sohn ist, erkennt aber nicht, dass sie über vieles ganz anders denken als er. Er ist ein strikt rational denkender Mann, der sich verzweifelt bemüht, alles richtig zu machen und daran scheitert, nicht zu bemerken, dass sein Richtig und Falsch nicht für alles und jeden gelten kann.
Ihm gegenüber steht seine Frau Connie, lebenslustig, kreativ, impulsiv und vor allem eher emotional veranlagt. Wie die zwei zusammengefunden haben, kann ich mir gut vorstellen, doch wie sie so lange zusammenbleiben konnten, ist mir ein Rätsel. Scheinbar war wirklich Albie, der typisch egoistische und gleichzeitig so unsichere und verletzliche Teenager, die Ursache dafür, dass ihre Ehe über zwanzig Jahre gehalten hat.

 

Der Schreibstil passt wunderbar zum Protagonisten, aus dessen Perspektive das Buch geschrieben ist: Relativ schnörkellos, kaum poetisch, einfach, mit viel verstecktem Humor und wenig emotional. Und dennoch stecken in ihm sämtliche Gefühle, die Douglas so sehr zu unterdrücken versucht. Denn darum dreht sich die Handlung hauptsächlich: Um einen Mann, der sich gezwungen sieht, sich selbst neu zu finden und sein Leben neu zu definieren, um das aussichtslose Festhalten an der Vergangenheit und eine schleichende, plötzlich offensichtliche Veränderung, die das bisher Gekannte auf den Kopf stellt. Das schildert Nicholls mit der nötigen Feinfühligkeit und Detailliertheit, sodass man die Geschehnisse und die Verhaltensweisen der Beteiligten toll nachvollziehen kann. Gerade der Schluss, unerwartet versöhnlich und dennoch nicht kitschig, zeigt, dass Verlust nicht unbedingt verletzende Einsamkeit zur Folge haben muss, wie manche meinen.
Leider verliert sich der Autor dabei oft in seinen Schilderungen und seinem stetigen Wechsel zwischen Damals und Heute, was die Story an einigen Stellen unnötig in die Länge zieht. Auch die einzelnen, an sich interessanten Orte der Reise hätten meiner Meinung nach vielleicht eine etwas größere Rolle spielen können. So wirken sie teilweise wie beliebig austauschbare Kulissen.

 

 

Das neuste Werk von David Nicholls ist ein tiefgründiger, lebensnaher Roman über die Höhen und Tiefen einer Ehe und die Vergänglichkeit des Glücks. Mit nachvollziehbar gestalteten Charakteren, einer realistischen, ausführlich behandelten Thematik und einem versöhnlichen Schluss weiß das Buch zu überzeugen.
Leider tröstet das nicht über die ärgerlichen Längen zwischendurch hinweg und auch die einzelnen Stationen der Reise bleiben mir einfach oft zu blass.
Wer die Art des Autors zu erzählen liebt, gerne Geschichten über die Ernsthaftigkeit des Lebens und mit einem überraschenden Ende liest und sich für Figuren begeistern kann, die möglichst detailliert dargestellt sind, für den ist Drei auf Reisen wunderbar geeignet.