Rezension

Bitte nicht zum Vorbild nehmen! - 1,5 Sterne

Vergessene Kinder - Luna Darko

Vergessene Kinder
von Luna Darko

Bewertet mit 1.5 Sternen

Vorab: Bitte nehmt euch die Charaktere nicht zum Vorbild! Das hier ist nicht das ideale Leben & sicherlich nicht erstrebenswert. Es ist hochgradig gefährlich! Und definitiv nicht realistisch dargestellt, vor allem was das Ende angeht. Die Charaktere haben meiner Meinung nach teilweise ernsthafte psychische Probleme, aber zumindest auf jeden Fall ein Problem mit der Sucht.

Diese Geschichte ist sicherlich ein Abbild von real existierenden Jugendlichen oder Menschen an sich, aber das sollte man alles kritisch sehen & hinterfragen. Ich finde es schade, dass die Autorin sehr viel einfach idealisiert & nicht differenziert dargestellt hat. Bitte bedenkt dies!

 

 

Zunächst möchte ich meinen Lob für die aufwendige & künstlerische Aufmachung abgeben. Es gibt kaum eine Seite in ganzen Buch, dass nicht irgendwie künstlerisch gestaltet wurde. Dabei findet man Zeichnungen, Fotos, Kritzeleien oder farbige kleine Icons, die zu dem Geschehen passen & die Atmosphäre unterstreichen. Darein wurde wirklich viel Arbeit & Zeit gesteckt & selbst wenn nicht alles dem eigenen Geschmack entspricht, sollte man das doch würdigen. Auch die verschiedenen Schriften, vor allem die handschriftlichen Passagen, haben mir sehr gefallen. Da wurde viel über die Gestaltung nachgedacht. Die Geschichte wird aus der Sicht eines allwissenden Erzählers geschildert, der sich aber je nach Schriftart auf die Gefühle & Gedanken von entweder Pia oder Tom stützt. Abgesehen von den handschriftlichen Auszügen aus dem Tagebuch, die dann natürlich aus der Sicht von Pia sind. Diese beschrieben aber selten die Handlung, sondern drehen sich nur um Pias Gedanken über die Welt. Der Schreibstil ist dabei manchmal etwas holprig. Man merkt einfach, dass es der Debütroman der Autorin ist, den sie ja größtenteils auch mit 16 Jahre bereits geschrieben hatte. Trotzdem kam ich aber meist gut & flüssig durch. Er enthält viele Jugendwörter, Slangs & auch gebräuchliche Abkürzungen der modernen elektronischen Textformen. Das hat das Ganze authentisch gemacht, auch wenn manche Worte vielleicht etwas zu oft vor kamen. Das ist aber subjektiv & sicherlich Geschmackssache.

 

Die Charaktere waren für mich alles andere als nachvollziehbar. Allerdings bin ich auch viel zu alt für die Zielgruppe & hatte auch noch nie etwas mit Drogen & Partys am Hut. Dementsprechend kann ich mich vielleicht auch in ihr Leben & ihre Sichtweise auf die Welt gar nicht hinein versetzen.

Ich fand es aber schade, dass die Charaktere so einseitig dargestellt wurden. Sie haben jeden Tag so gut wie dasselbe gemacht & immer über die gleichen Themen gesprochen. Selten hat man mal kurz eine andere Seite der Charaktere durchscheinen sehen.

Tom zum Beispiel redet oft von seinem Traum, allerdings tut er, meiner Meinung nach, nie wirklich was dafür. Er macht zwar was ihm gefällt & was teilweise mit dem Traum zu tun hat, aber er arbeitet auf nichts hin. Das gilt für alle Charaktere. Sie leben quasi von Tag zu Tag & denken nicht an Morgen. Das ist als Jugendlicher ja nicht unbedingt ungewöhnlich oder schlecht, aber man sollte deswegen doch nicht alles was dieses Thema betrifft so weit wie möglich weg schieben. Hier im Beispiel der Schule, die irgendwann von allen abgebrochen wird, weil es ja zu viel Zeit verschwendet. Als würden die Charaktere den lieben langen Tag ja so viel anderes produktives tun.

 

Und damit sind wir beim Plot angelangt, der jedoch nicht vorhanden ist. Es gibt kein Ziel worauf alles hinaus läuft. Es werden nur immer die quasi gleichen Tage geschildert, in denen die Charaktere irgendwelche (nach Möglichkeit immer neue & andere) Drogen nehmen & dann sich über die böse Welt & die leistungsorientierte Gesellschaft beschweren. Natürlich passen sie in diese Gesellschaft gar nicht rein & sind außen vor. Wie sollte es auch anders sein, wenn sie den ganzen Tag nichts tun, außer sich mit der Hilfe von Drogen aus der Realität zu flüchten? Wenn alles so schlimm ist, dann versucht doch was zu verbessern! Aber sich zuzudröhnen & rumzujammern ist ja so viel einfacher. Natürlich hat die Autorin dies nicht als Rumgejammere geschrieben, sondern wollte die Probleme der heutigen Gesellschaft aufzeigen & darüber philosophieren. Viele der Ansätze sind sicherlich auch richtige & einige Probleme werden auch gut erkannt, aber wenn die Charaktere nicht versuchen etwas daran zu ändern, sondern sich nur beschweren, kann ich das leider nicht ernst nehmen. Da bin ich wohl einfach an einem vollkommen anderen Punkt in meinem Leben. Ich bin sicherlich zu alt (mit 27 Jahren), habe nie Drogen genommen & habe nicht den Luxus genug Geld zum Leben & gerade für Drogen zu haben, ohne richtige arbeiten zu müssen (was hier nur am Rande angesprochen wird). Es kommen mir wie First World Problems von privilegierten Jugendlichen vor, die zu viel Zeit haben sich darüber zu beschweren ohne das Bedürfnis zu verspüren etwas gegen diese Missstände zu tun.

 

Allgemein liest sich die Geschichte wie eine reine Anleitung für die verschiedenen Arten von Drogen & wie man sie zu sich nehmen sollte, um welche Wirkung zu erzielen. Und das alles ganz ohne darüber zu reflektieren, dass dies gefährlich werden könnte & man es vielleicht nicht übertreiben sollte. Tom kommt zwar in Bezug auf Pia irgendwann auf den Trichter, aber ist trotzdem selber jeden Tag bekifft & hält sie auch nicht von den Drogen ab, wenn er mal dabei ist, wenn Pia sie nimmt. Es gibt sehr wenige & ganz kurze Szenen in denen die Charaktere mal nichts genommen haben, aber das ändert sich dann ganz schnell wieder. Im Gegenteil sind sie meist der Meinung, dass sie ohne Drogen weniger leistungsfähig & kreativ wären. Dann kann da doch was nicht stimmen. Entweder ihr habt eine seltsame Sicht auf euch selbst oder seid eben hochgradig abhängig. Allerdings wird das nicht angesprochen oder überhaupt erkannt.

Auch Selbstmord wird, wie man am Klappentext ja erkennt, zum Thema gemacht. Es wird aber leider eher als leichten Ausweg aus der schlimmen Gesellschaft dargestellt & nicht als kritisch zu sehende Flucht aus der Realität, weshalb man dringend Hilfe braucht. Wenn jemand über Selbstmord nachdenkt, dann stimmt definitiv etwas ernstes nicht mit dieser Person oder ihrem Leben. Man sollte sich in dem Fall schleunigst Hilfe holen oder einer solchen Person Hilfe besorgen. Das wird hier nur leider gar nicht ernst genommen. Wie gesagt psychische Probleme werden meistens verharmlost. Ich war besonders schockiert, als Tom & Finn zu Beginn locker leicht über die beste Art Selbstmord zu begehen debattieren. Hier wird quasi detailliert aufgelistet, welche Selbstmordart die größten Erfolgschancen verspricht & auf was man alles achten muss, damit es wirklich klappt. Das war da schon zu viel für mich. Sicherlich kann man das alles auch im Internet recherchieren, aber dies in ein Jugendbuch zu schreiben, das an Jugendlich gerichtet ist, die wahrscheinlich selbst mit solchen Problemen zu kämpfen haben, kommt beinahe einer Aufforderung zum Suizid gleich.

 

Ich möchte hiermit natürlich keines Falls die Existenz solcher Menschen wie diese Charaktere verneinen. Ich finde nur, dass man dies nicht unbedingt positiv oder gar neutral darstellen, sondern ihre Probleme adäquat reflektieren sollte. Zumindest wenn die Zielgruppe Jugendliche sind, wie in diesem Fall, wovon ich zumindest ausgehe. Man sollte schließlich Jugendlichen in einer ähnlichen Situation versuchen zu helfen & einen Rat geben. Und nicht sie in ihrer selbstzerstörerischen Sicht auch noch bestärken.

 

Die Geschichte hat mich relativ kalt gelassen. Normalerweise würde mich sowas sicherlich aufregen, aber seltsamer Weise habe ich das alles eher überlesen, wahrscheinlich weil ich schon durch andere Rezensionen wusste, dass das alles kommen wird. Das Ende fand ich dann jedoch so unerwartet & furchtbar, dass mich dass dann doch aufgeregt hat. Es gibt so schon genug Messages in dieser Geschichte, die ich nicht gut finde & kritisiere. Aber das Ende war die Krönung. Es suggeriert quasi, dass man nichts zu tun braucht & dann kommt das Gute von ganz allein. Wie gesagt wurde sich hier nur Drogen eingeworfen & ansonsten nur beschwert. Und trotzdem taucht am Ende etwas aus dem Nichts auf, dass die Charaktere belohnt und dabei die Message übermittelt, dass man etwas tolles bekommen & seine Träume erreichen kann, ohne auch nur irgendetwas dafür tun zu müssen. Es kommt schon von allein. … ähm, nein! Nein, nein, nein! Das ist einfach falscher als falsch. Es kommt nichts von allein. Wenn man was haben oder erreichen will, muss man auch was dafür tun. Punkt! Einfach so mal Glück zu haben ist so unrealistisch, dass man das eigentlich gar nicht ansprechen müsste, aber das wird hier vollkommen anders dargestellt.

 

Ich kenne nur einige wenige Videos der Autorin, die ja auch YouTuberin ist. Ich habe daher keine umfangreiche Sicht auf ihre Persönlichkeit, wobei es sowieso fraglich ist, ob man dies durch YouTube allein bekommen kann. Viele ihrer Messages aus ihren Videos fand ich sehr gut, auch wenn ich nicht immer allem zugestimmt habe & auch die Intensität mir manchmal etwas zu viel war. Aber leider war dieses Buch so gar nicht meins & ich kann es auch absolut niemandem empfehlen, trotz der kreativen Aufmachung.

 

 

Fazit: Die Aufmachung ist wirklich top. Respekt! Der Rest ist jedoch alles andere als das. Die Geschichte ist unrealistisch, gespickt mit falschen Messages & Verherrlichung von Drogen und selbstgefährdendem Verhalten. Bitte diese Charaktere nicht zum Vorbild nehmen! Das könnte wirklich tragisch enden. Daher hat das Buch 1,5 Sterne von mir bekommen.

 

Hinweis: Ich habe das Buch als Rezensionsexemplar vom Verlag bekommen.