Rezension

Bittersüß und im Abgang ein klein wenig flach

Das Lavendelzimmer - Nina George

Das Lavendelzimmer
von Nina George

Bewertet mit 3 Sternen

Eine Geschichte wie französische Patisserie...

Ich habe mich durch viele herausragende Rezensionen in verschiedenen Foren zum Buch “Das Lavendelzimmer” von Nina George förmlich verführen lassen. Wenn auch gestandene Männer in die Lobeshymnen mit einfallen, muss es schon etwas Besonderes sein, dachte ich, keine 08/15 Geschichte, kein klassischer Herz-Schmerz.

Die Idee ist wirklich wunderbar: Jean Perdu (da ist der Name tatsächlich Programm) verlor sich im Schmerz über den Verlust seiner großen Liebe Manon. Das Einzige, was ihm in den mittlerweile 21 Jahren eine Spur des Trostes geben konnte und sein  Weiterleben ermöglichte, waren seine Bücher. Überzeugt davon, dass jedes Buch für eine einzige bestimmte Person geschrieben wurde und das jeweils passende Buch geeignet ist, eine besondere Krankheit zu heilen, verwendet er seine ganze Energie auf „Lulu“, sein Bücherschiff, seine „pharmacie littéraire“. Auf ihr verkauft er passende Bücher an besondere Menschen, die es in diesem Moment brauchen. Nur für sich selbst findet er keinen Trost und keine Heilung.

Nachdem er irgendwann feststellen musste, dass er sich die ganzen Jahre über von falschen Rückschlüssen leiten ließ, macht er sich irgendwann auf, fährt mit seiner „Lulu“ seiner Zukunft entgegen, um sich seiner Vergangenheit stellen, um mit ihr abschließen, um sich endlich befreien zu können.

Die ganze Geschichte ist wie französische Patisserie –  ein Eclair, sehr liebevoll gestaltet, ein luftiger Teig mit gehaltvoller Buttercreme im Innern und schön gefärbtem Zuckerguss obenauf.

Aber wie das mit feinen Desserts so ist – sie sind nicht dazu geeignet, in größeren Mengen genossen zu werden, weil man sich den Magen daran verstimmt. Genau so ging es mir mit diesem Buch. So sehr mir die Geschichte gefiel, so treffend, präzise und wahrhaftig die Charaktere gezeichnet waren – man merkte jedem Kapitel, manchmal jedem Satz an, wie sehr die Autorin bemüht war, möglichst viel Gefühl, Stimmung und Melancholie hereinzupacken. So viel, dass ich manchmal dachte, „lass gut sein, es reicht“. Und dann mein besonderes Problem mit den Stilbrüchen. Waren sie gewollt? Ich weiß es immer noch nicht. Wie kann man über zwei Seiten die erste zögerliche körperliche Annäherung zweier Personen schildern, jedes Detail der Stimmung und der Veränderung bis ins Kleinste auszuleuchten versuchen – und dann fällt dem armen Jean beim Anblick der Rundung einer nackten Damenschulter nichts Besseres ein als der „Deltamuskel“?

Abschließend muss ich sagen, dass das Buch für mich viel durch die Überfrachtung mit Sprache verloren hat. Und auch die vielgepriesene Tiefgründigkeit erschloss sich mir nicht in dem Maße wie vielen anderen Lesern. Selbstverständlich ist es bitter, nach zwanzig Jahren feststellen zu müssen, dass man einem sich selbst auferlegten Irrtum aufgesessen ist. Aber das ist jetzt nicht so neu. Das nichts so ist, wie es zu sein scheint? Nun ja.

Was bleibt, sind schöne Bilder in meinem Kopf. Und das ist ja auch schon was.