Rezension

Bittersüßes und zutiefst berührendes "Was wäre, wenn...?"

Drei mal wir
von Laura Barnett

Bewertet mit 4.5 Sternen

Dieses bittersüße "Was wäre, wenn...?" ist nicht nur eine Liebesgeschichte sondern auch ein kluges Portrait der Leben zweiter Menschen und der Entscheidungen, die sie treffen

Inhalt

Eva und Jim lernen sich 1958 als Studenten in Cambridge kennen - oder auch nicht. Sie werden ein Paar - oder sehen sich jahrelang nie wieder. Der Leser verfolgt drei Versionen von Eva und Jim, ihres Lebens, das von verschiedenen Ereignissen, Entscheidungen und Menschen geprägt ist und die beiden über mehr als 50 Jahre hinweg immer wieder zusammenführt.

Meinung

"Drei mal wir" spielt mit Fragen, die sich sicher einige Menschen schon geschellt haben: Was wäre, wenn ich ihn damals angesprochen hätte? Was wäre, wenn ich um sie gekämpft hätte? Was wäre, wenn ich uns nicht aufgegeben hätte? - Wie hätte unser Leben ausgesehen?

Drei Versionen beschreibt Autorin Laura Barnett von Evas und Jims Leben; drei Versionen, die sich Kapitel für Kapiel abwechseln. Damit der Leser dabei nicht durcheinander gerät, sind die Kapitel jeweils durch Verzierungen am Rand farblich markiert, sodass man immer eine Orientierung hat. Trotzdem fällt es nicht immer leicht zu folgen, da sich zwei Versionen anfangs sehr ähneln und generell viele Parallelen zwischen den drei Versionen bestehen. Teilweise muss man sich bei der Lektüre gut konzentrieren und es empfiehlt sich, das Buch schnell und ohne Unterbrechung durch andere Lektüren zu lesen.

Auf diese Weise umspannt die Geschichte mehr als 50 Jahre aus Evas und Jims gemeinsamen und getrennten Leben, erzählt von ihrer Jugend, ihre Eltern, ihren Kindern, von Liebe und Trennungsschmerz, Vertrauen und Betrug, großen Täumen und bitterer Enttäuschung. Der Leser erfährt, welche Details einen riesigen Unterschied für das gesamte spätere Leben der Figuren machen und welche Ereignisse in allen Versionen eintreten, welche Entscheidungen immer getroffen werden. Durch letzteres wird wunderbar gezeigt, dass Eva und Jim trotz allem in allen drei Versionen die gleichen Menschen sind; bloß, dass sie unterschiedliche Entscheidungen getroffen haben.
Interessant ist hierbei, dass man, auch wenn man anfangs vielleicht eine Lieblingsversion hat, später nicht genau sagen kann, welche Version man für die für Eva und Jim beste hält. Man wünscht sich vielleicht eine bestimmte Zukunft für beide und lernt dann einige Kapitel später, dass vielleicht eine andere Version beide glücklicher machen würde. Eine wunderbare Anregung darüber nachzudenken, ob man immer verbissen an einer Entscheidung hängen sollte, auch wenn sie vielleicht nicht optimal ist und man dadurch andere Möglichkeiten komplett ausschließt, die vielleicht das Potential hätten, einen glücklich zu machen.

Die Auflösung der drei Erzählstränge ist meiner Meinung nach genial, nicht zu kitschig, nicht wie man es erwartet hätte, aber gleichzeitig auch wunderschön und einfach richtig für alle Beteiligten. Auf den letzten Seiten habe ich einige Tränen vergossen.

Doch man kann die Geschichten auch einzeln betrachten, denn auch abseits des "Was wäre, wenn? ist "Drei mal wir" ein wunderschöner Roman und vor allem - und das ist wichtig zu betonen - nicht nur ein Liebesroman. Es geht um das ganze Leben zweier Menschen, von der Universität bis zum hohen Alter. Natürlich spielt auch die Liebe - Evas und Jims aber auch die der beiden zu anderen Personen - eine Rolle, doch auch der berufliche Werdegang und die Prioritäten, die man vor allem als Frau damals noch setzen musste, oder das Verhältnis zu den eigenen Kindern nimmt großen Raum ein.
Man muss sich darauf einlassen, dass "Drei mal wir" ein sehr ruhiges Buch ist, dann kann man sich in den verschiedenen, bittersüßen Versionen des Lebens der beiden Protagonisten verlieren und anhand ihrer Entscheidungen auch für sich selbst lernen.

Eva und Jim sind wunderbare Figuren, nicht im Sinne von kitschig-perfekt, sondern authentisch, mit Fehlern und aus Sicht des Lesers unklugen Entscheidungen, die sie treffen. Sie geben nach, wo sie nicht sollten, schweigen, wo sie reden sollten und geben auf, was sie nicht aufgeben sollten, aber sie wachsen dem Leser, nachdem man sie fast ihr ganzes Leben begleitet hat, auch ans Herz, weil man ihre Träume und Ängste kennt und sie trotz oder gerade wegen all ihrer menschlichen Entscheidungen sympathisch sind.
Doch - und das finde ich sehr beeindruckend in Anbetracht der Tatsache, dass viele von ihnen aufgrund der enormen Zeitraffung im Buch nur in wenigen Kapiteln vorkommen - auch die Nebenfiguren wirken, auch wenn man in ihre Gedanken natürlich keine Einblicke bekommt, alle einzigartig und wie Personen, denen man selbst im Leben begegnen könnte - Eltern, Kinder, Freunde, Kollegen. Laura Barnett hat sich hier eindeutig viele Gedanken und sehr viel Mühe gemacht.

Zuletzt gilt mein großes Lob den Gestaltern der deutschen Ausgabe, die einfach - innen und außen - wunderschön ist. Der schlichte aber süße Schutzumschlag, die passend dazu gestalten bunten Seiten zwischen den drei großen Teilen des Buches und die hübschen aber nicht überladen wirkenden Verzierungen auf den Innenseiten - eine sehr gelungene Komposition.

Fazit

"Drei mal wir" hat mich nicht nur von der Gestaltung sondern auch vom Inhalt her begeistert. Ehrlich, liebevoll, philosophisch und romantisch, ohne jemals kitschig und belehrend zu wirken, erzählt es drei Versionen des Lebens zweier überaus liebenswerter Figuren, die dem Leser ans Herz wachsen und teilweise selbst die Augen öffnen. Ich vergebe 4,5 Sterne und eine absolute Leseempfehlung an alle Fans realistischer und berührender Liebes- und Lebensgeschichten.