Rezension

Blieb hinter den Erwartungen zurück

Der Letzte von uns - Adélaïde de Clermont-Tonnerre

Der Letzte von uns
von Adélaïde de Clermont-Tonnerre

Bewertet mit 3 Sternen

1945 Dresden. Zum Ende des 2. Weltkrieges, während die Bomben über Dresden fallen und die Stadt zerstören, erblickt Werner Zilch das Licht der Welt. Bei der Geburt stirbt seine Mutter Luise und Werner wird fortan von seiner Tante Martha aufgezogen, doch diese versucht auch, Werners Vater ausfindig zu machen, der in den Kriegswirren unauffindbar scheint. Da er als Raketenforscher einen Beruf hat, der politisch nicht uninteressant ist, wird die Suche nach ihm nicht gerade ungefährlich.

1971 Manhatten/USA. Nachdem Werner Zilch in einer Adoptivfamilie aufgewachsen ist, mutierte er zu einem erfolgreichen Geschäftsmann, der auch dem schönen Geschlecht nicht abgeneigt ist. Doch dann begegnet er Rebecca, einer Tochter aus wohlhabendem Hause. Die beiden verlieben sich Hals über Kopf ineinander, die Zukunft könnte nicht rosiger sein. Leider verschweigt Rebecca Werner etwas, was die Beziehung der beiden auf eine harte Probe stellt und zum Bruch führen könnte…

Adélaïde de Clermont-Tonnerre hat mit ihrem Roman „Der letzte von uns“ einen historischen Familien- und Gesellschaftsroman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und ungeschönt, erwartet von dem Leser aber auch ein konzentriertes Lesen, da die Autorin zur Detailverliebtheit neigt. Dadurch baut sich die Spannung nur sehr mäßig auf und erlebt ihren Höhepunkt erst im letzten Drittel des Buches, was dem Leser auch einiges an Durchhaltevermögen abverlangt. Die Handlung wird auf zwei Zeitebenen erzählt, der eine Teil befasst sich mit den letzten Kriegsjahren und der Nachkriegszeit in Nazi-Deutschland, der andere schildert die Zeit der 70er Jahre in den USA. Beide Handlungsstränge sind durch eine gute Recherche über die politischen und gesellschaftlichen Strukturen sehr gut dargestellt. Gelungen sind die Kapitelüberschriften, die es dem Leser durch die Angabe von Daten und Ortsangaben erleichtern, sich in der Geschichte zurechtzufinden.

Die Charaktere sind sehr differenziert ausgearbeitet und individuell gemäß ihren Eigenheiten in Szene gesetzt worden. Sie wirken authentisch und real, leider fehlt es ihnen an einer gewissen Ausstrahlung, so dass es oftmals schwer fällt, mit ihnen mitzufühlen und ihr Verhalten bei gewissen Situationen nachzuvollziehen. Werner hat seine eigenen Eltern nie kennengelernt und ist in eine Adoptivfamilie aufgewachsen. Er ist ein sogenannter Self-Made-Man, erfolgreich in seinem Job und auch die Frauen sind ihm gegenüber nicht abgeneigt. Er wirkt oftmals unnahbar, kühl und wenig emotional. Gleichzeitig darf man seine Vergangenheit nicht vergessen, die einige Narben auf seiner Seele hinterlassen haben dürften. Ab und an zeigt er sein wahres Naturell, was dem Leser Einblick in sein Innerstes gewährt und ihn wesentlich menschlicher wirken lässt. Rebecca kommt aus reichem Hause und macht, was sie will. Sie schert sich nicht um Konventionen, gleichzeitig lässt sie sich auch zu einem melodramatischen Verhalten verleiten, sie wirkt oftmals hypersensibel, dann wieder völlig emotionslos. Der Leser hat oft das Gefühl, eine gespaltene Persönlichkeit zu beobachten.

„Der letzte von uns“ ist ein etwas schwerfälliger Roman über Familiengeheimnisse, Kriegsverbrechen und Vergangenheitsbewältigung. Leider konnte die Geschichte nicht ganz überzeugen, da es der Autorin nicht gelungen ist, den Leser durchgängig zu fesseln und die Handlung erst gegen Ende richtig Fahrt aufnahm. Die Geduld des Lesers wird hier sehr auf die Probe gestellt, bis zum Finale durchzuhalten. Deshalb gibt es eine eingeschränkte Leseempfehlung!