Rezension

Blutiger Thriller im Stil von Cody Macfadyen

Final Cut - Veit Etzold

Final Cut
von Veit Etzold

 

 

Ich bin nicht der Erste und ich bin nicht der Letzte.

 

The oldest and strongest emotion of mankind is fear, and the oldest and strongest kind of fear is fear of the unknown. (H. P. Lovecraft)

 

Aus einem Grund wollte ich dieses Buch unbedingt lesen. Und es war nicht das Cover, das übrigens zum schönsten Krimicover des Jahres, ›Bloody Cover 2013‹, nominiert wurde und dem Buch ein gruseliges Aussehen verleiht.

Nein, so richtig kribbelig bin ich erst geworden als ich einen Blick in das Buch warf und mir sogleich ein Zitat von H. P.  Lovecraft auffiel. Als großer Horrorfan erwartete ich mir deshalb, dass „Final Cut“ grausam, unbarmherzig, ekelhaft, blutig, gruselig und schockierend ist. Denn das ist genau die Mischung, die einen packenden Thriller, meiner Meinung nach, ausmacht. Zudem habe ich mehr als 438 Facebookfreunde und treibe mich sehr viel in virtuellen Welten herum. Deshalb hat mich auch die Buchrückseite angesprochen:

 

›Du hast 438 Freunde auf Facebook und einen Feind.

Die Freunde sind virtuell, der Feind ist real.

Er wird dich suchen.

Er wird dich finden.

Er wird dich töten.

Du hast 438 Freunde auf Facebook.

Und keiner wird etwas merken.

 

Ich habe deshalb auch ein Buch erwartet, das nichts beschönigt, nichts umschreibt oder nur andeutet, sondern das Grauen beim Namen nennt. Zusätzlich habe ich mir einen richtigen Thriller nach amerikanischem Vorbild gewünscht. Deshalb war ich hocherfreut, als mir das Kriminetz ein Rezensionsexemplar zukommen ließ. Ich habe das Buch an einem Abend gelesen. Es ist in drei Teile (Blut, Feuer, Tod)gegliedert, denen jeweils ein Zitat voran gestellt wird.

 

Ironischerweise nennt der Täter sich ›der Namenlose‹. Da ich als Horror- und Thrillerfan schon viel Grausames gelesen habe, konnte ich während der Lektüre eine warme Mahlzeit zu mir nehmen. Ich kann mir allerdings vorstellen, dass zartbesaitete Gemüter spätestens nach Seite 25 das Buch weg legen müssen. Mich haben die ersten Seiten eher angeheizt und deshalb weiterhin gefesselt.

 

Die, mit starken Schuldgefühlen behaftete, Protagonistin Clara Vidalis, Hauptkommissarin beim Morddezernat des LKA Berlin, wird mit einem Serienkiller konfrontiert, der sie ihren eigenen Albtraum erneut durchleben lässt. Ihre achtjährige Schwester wurde vor langer Zeit von einem brutalen Kinderschänder missbraucht und ermordet. Clara gibt sich die Schuld, weil sie vergessen hatte, ihre Schwester von der Schule abzuholen.

Jedes Jahr beichtet sie daher ihre vermeintliche Schuld.

So wird die Protagonistin auch in das Buch eingeführt. Kurz nach ihrem Besuch in der Kirche erhält sie per Post eine CD-Rom. Der Film darauf, zeigt die Ermordung einer jungen, attraktiven Frau. Beim langsamen Abspielen der CD erkennt sie einen Namen und eine Zahl, die 13. Ist es bereits das 13. Opfer?

 

Über den Inhalt an sich will ich nicht mehr verraten. Ich beschränke mich bei der Rezension auf meinen Eindruck, den das Buch hinterlassen hat.

 

Veit Etzold verwendet mehrere Perspektiven und drei Erzählstränge, wobei bei einem Erzählstrang lange nicht klar ist, in welchem Zusammenhang er zu der Geschichte steht. Meiner Meinung nach hätte man diesen Erzählstrang auch ganz weg lassen können, beziehungsweise abkürzen. Denn die Einführung des Medienmoguls Albert Torino und seiner Castingshow ist für die Geschichte nur bedingt von Relevanz. Vom Täter gibt es eine Innenschau und eine Rückschau seiner persönlichen Geschichte, die ich persönlich interessant gefunden habe. Aber ich mag es generell gerne, wenn man Hintergründe erfährt. Auch Flashbacks in die Vergangenheit lese ich gerne. Ich mag es auch in die Psyche des Mörders einzudringen und seine Gedanken zu erfahren. Das hat der Autor wunderbar umgesetzt.

 

Die Hauptgeschichte ist spannend geschrieben, mit jeder Menge blutiger, perverser und grausamer Details angereichert, was meiner Meinung zu einem Thriller auch gehört: Kübelweise Blut, Eingeweide, Leichen und Gewalt. Ich war jedenfalls positiv überrascht, dass die Schilderungen weit über das hinaus gehen, was deutsche Verlage sonst zulassen. Ich denke, der Autor wäre auch im Horror-Genre gut aufgehoben.

Die Hauptcharaktere sind gut erdacht. Die Ermittler positiv und sympatisch gezeichnet. Man findet als Leserin allerdings kaum eine Identifikationsfigur. Vermutlich weil außer Clara Vidalis keine interessante Frauenfigur vorkommt. Clara selbst ist eine sympatische Protagonistin, eine starke Persönlichkeit mit viel Herz und Hirn, die allerdings ihre Vergangenheit nicht vergessen kann und dadurch verletzbar ist, was ihr in der Geschichte zum Verhängnis wird. Die Verbindung des Mörders zu Clara ist durchaus logisch nachzuvollziehen. Die Dialoge sind niemals steif oder hölzern, sondern abwechslungsreich und gottlob frei von dem, in vielen Krimis, üblichen Humor. Der würde hier auch gar nicht hineinpassen. Die Kapitel sind von angenehmer Kürze, die Perspektivewechsel in Maßen eingesetzt.

Veit Etzold schreibt packend, schnörkelos, emotionsgeladen.

 

›Final Cut‹ wäre ein perfekter Thriller, jedoch hat mich die Tatsache verstört, dass teilweise schlecht recherchiert wurde, vor allem im Polizeibereich. Dadurch werden manche Sachen unglaubwürdig. Das ist schade. Allerdings könnte ich mir das Buch gut als Film vorstellen (wenn auch nicht für die Prime-Time ;-)) und vielleicht waren diese Schnitzer der Dramaturgie wegen auch gewollt.

Meiner Lesefreude tat dies keinen Abbruch.

Der Ablauf der Ermittlungen ist extrem rasant, was in Wirklichkeit vermutlich viele Wochen dauern würde, wird in diesem Roman binnen weniger Tage erledigt. Aber einen Krimi, bei dem die Ermittlungsarbeit über 2000 Seiten geht, würde auch keiner lesen. Die Sache mit den Totenkäfern und die Erklärungen wie eine Mumifizierung von statten geht, ist sicher für viele, die davon noch nie gehört haben, sehr informativ. Ob die Polizei in Deutschland wirklich genug Budget hat, um Hunderte Käfer zu sezieren, sei dahingestellt.

Was nicht rauskommt ist, wie der Täter solange verdeckt gelebt hat, warum die anderen Leichen nie gefunden wurden und vor allem wovon der Täter lebt, denn er wirkt vermögend und gebildet. Aber vielleicht wird dieses Rätsel in der Fortsetzung, die im August erscheint, gelöst, die ich mir auf jeden Fall besorgen werde.

Denn das Ende der Geschichte ist erst der Anfang.

 

Fazit: Spannende Lektüre für Leser/innen, die gerne Hard Case Krimis und Thriller lesen und, wie ich, mördersuchenden Putzfrauen langweilig finden. Fans von Cody Mcfadyen werden Veit Etzold lieben. Er ist der Beweis, dass auch deutsche Autoren gute Thriller schreiben. ›Final Cut‹ geht nun in die 5. Auflage. Sichern Sie sich ein Exemplar. Es hat mir einen unterhaltsamen, gruseligen Abend beschert und meinen Erwartungen entsprochen. Vielen Dank an das Kriminetz für diese spannende Lektüre!!

 

 

 

Kommentare

Maryann Flamel kommentierte am 12. November 2013 um 15:40

VIelen Dank für diese ausführliche Rezension!

Jetzt weiß ich, dass ich mir das Buch (leider) nicht kaufen sollte - ich gehöre zu der "zart besaiteten" Sorte von Lesern und lese ungern blutige Details. Das erspart mir eine Nacht voller Alpträume ;) , der Text auf der Buchrückseite hatte mich nämlich so sehr angesprochen, dass ich sehr versucht war es mit dem Buch zu versuchen.

Nochmals: Danke! :)