Rezension

Brisante themen

Blutzucker - Leif Tewes

Blutzucker
von Leif Tewes

Bewertet mit 5 Sternen

„...Früher seien die Journalisten der Wahrheit verpflichtet gewesen, wie Putzkolonnen, die aus öffentlichen Meinungen den Dreck der Halbwahrheiten und Komplettlügen herauswuschen. Heute seien die Medien selbst diejenige, die Dreck erzeugten...“

 

Paul und Nicole sind in Kolumbien. Am nächsten Tag soll es zurück nach Hause gehen. Paul freut sich auf das gemeinsame Leben. Doch für Nicole wird es keinen nächsten Tag geben. Eine Autobombe zerfetzt das Auto, mit dem sie unterwegs ist. Für Paul bricht eine Welt zusammen. Mit Nicole stirbt ebenfalls das ungeborene Kind der beiden.

Der Autor hat einen fesselnden und brisanten Krimi geschrieben.

Nach dem fulminanten Beginn erfahre ich die Hintergründe der Geschichte. Nicole war Journalistin. Paul hat sie auf einer Geburtstagsparty kennengelernt. Sie interessierte sich für seine Arbeit und öffnete ihn die Augen für das, was er tat.

Paul ist Lebensmittelchemiker bei WorldFood. Der Konzern wurde gerade um einen Pharmabetrieb erweitert. Der ist spezialisiert auf Diabetes- und Krebsprodukte. Meininger, Pauls Vorgesetzter, erwartet von Paul, dass der Stevia gentechnisch so verändert, dass es nicht mehr als Zucker nachweisbar ist. Dann wird der Verbraucher zwar weiter süße Lebensmittel erhalten, in denen aber Zucker nicht mehr nachweisbar ist. Eine spätere Diabetes wird wohlwollend in Kauf genommen.

Nicole wollte diesen Skandal aufklären. Das kostete ihr das Leben. Nun macht sich Paul auf die Spur ihres Mörder und erfährt Unglaubliches.

Der Schriftstil des Buches lässt sich angenehm lesen. Der Autor erzählt nicht nur eine spannende Geschichte, er ermöglicht mir auch einen tiefen Einblick in Pauls Psyche.

Mit Nicole war Paul auf den Weg in ein neues Leben, konnte er ein altes Trauma überwinden. Doch ihr Tod katapultiert ihn zurück in die Einsamkeit. Jetzt ist er bereit, Grenzen zu überschreiten. Dabei merkt er aber, dass Rache zerstörerisch wirkt, nicht nur auf den anderen, ebenfalls auf ihn selbst. Mit gekonnten Bildern zeigt mir der Autor Pauls tiefen Schmerz, seine Verzweiflung und innere Zerrissenheit.

Sehr anschaulich wird die Entwicklung der Zuckerindustrie in die Handlung integriert. Gleichzeitig erfahre ich, was zu viel Zucker im menschlichen Körper anrichten kann.

Obiges Zitat wirft ein Schlaglicht auf die Zusammenarbeit von Wirtschaft, Presse, Politik. Auch das wird im Roman thematisiert.

Als Nicoles Mörderin gefunden wird, landet der Fall bei Kommissar Berg. Seine unkonventionellen Ermittlungen werden nicht gern gesehen. Sein Vorgesetzter macht ihm klar, wie er sich zu verhalten hat, damit er seine Pension nicht verliert. WorldFood und ihre Mitarbeiter sind gefälligst mit Samthandschuhen anzufassen. Bergs Gespräche mit Meininger gehören zu den stilistischen Höhepunkten des Buches. Ab und an durchzieht Bergs feine Ironie die Geschichte. So stellt er fest, dass es zwischen der Korruption in Kolumbien und in Deutschland nur geringe graduelle Unterschiede gibt.

Das dunkelrote Cover mit dem leuchtenden Z des Titels wirkt auffallend.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Der Autor fasst in seinem Krimi mehrere heiße Eisen an. Ein Zitat soll meine Rezension von Berg beenden:

„...All die geschriebenen Gesetze, all seine Kompetenzen als Mordermittler, waren kaum mehr als ein aufblasbares Gummischwert gegen die unsichtbaren Stahlfäden der gegenseitigen Abhängigkeit von Politik und Wirtschaft...“