Rezension

Bussi, Großmeister der Irreführung

Beim Leben meiner Tochter - Michel Bussi

Beim Leben meiner Tochter
von Michel Bussi

Bewertet mit 5 Sternen

Neben einem extrem spannenden Abenteuer hat Bussi auch Menschen anzubieten, die viel um Vertrauen und Liebe wissen und unverhofft tief berühren.

Liane Bellion ist aus ihrem Hotelzimmer des Alamandas auf La Réunion verschwunden. Blutspritzer deuten auf ein Gewaltverbrechen hin. Verdächtigt wird Martial, ihr Ehemann, doch dem gelingt mit seiner sechsjährigen Tochter die Flucht. Während die Polizei fieberhaft nach ihm sucht, finden Kinder einen ermordeten Fischer. 

Wer Michel Bussi kennt, weiß, dass in seinen Geschichten nichts so ist, wie es scheint. Oder eben doch? Wieder einmal offenbart er sich als Großmeister der Irreführung und fabelhafter Illusionist. Das Gesamte ist so umsichtig gesponnen und, von winzigen Ungereimtheiten abgesehen, so perfekt ausgearbeitet, dass ab der ersten Seite erahnt wird, wie bedeutungsvoll jedes Detail sein könnte. Das zwingt zu aufmerksamem Lesen, was sich aber als eine Tortur herausstellt angesichts der Spannung, die schnell aufgebaut und bis zum Ende gehalten wird und wie kaum ein anderes Buch zum Schlingen verführt. 

Es lohnt sich, dem zu widerstehen. Auch der Sprache wegen. Bussi liefert wundervolle Landschaftsbeschreibungen, versteht es, die Besonderheiten der Natur als aktive Macht in das Geschehen einzubinden. Er macht uns mit Menschen bekannt, die überraschen können, die viel um Vertrauen und Liebe wissen und mitunter unverhofft tief berühren. 

Immer wieder wechseln die Schauplätze, Sopha, Martials kleine Tochter, schildert als Einzige in Ich-Perspektive, wenn sie an der Reihe ist. Das tapfere Mädchen wird auf Anhieb Sympathieträgerin, sie gerät in Situationen, die ihr alles abverlangen. Martial selbst bleibt undurchsichtig, offenbar trägt er eine Schuld. Auf der Gegenseite agieren Aja Purvi, die junge, ehrgeizige Commissaire, und ihr unvergesslicher Sous-Lieutnant Christos Konstantinov. Obgleich sie diejenige ist, die von der Insel stammt, ist es doch Christos, der sich hineingesucht und -gefunden hat in das träge, tropische Leben.

Bedauerlicherweise wird man es bei Bussi wohl nicht erleben, dass er eine Kriminalreihe mit festen Ermittlern etablieren wird. Doch was für ein Glück, diesen beiden auf La Réunon begegnet zu sein!