Rezension

"Chabos wissen wer der Babo ist"

Wenn's einfach wär, würd's jeder machen - Petra Hülsmann

Wenn's einfach wär, würd's jeder machen
von Petra Hülsmann

Bewertet mit 4 Sternen

Schwacher Anfang, dafür umso besseres Ende.

Annika ist fassungslos: Da hat sie sich so wohl gefühlt an ihrer Schule - mit den wohl erzogenen Schüler die niemals Ärger machten, und den lieben Kollegen, denen sie sogar gerne mal einen selbst gebackenen Kuchen mitbrachte - und dann wird Annika mir nichts, dir nichts, einfach so versetzt. Und die neue Schule ist nicht irgendeine Schule, nein, es ist DIE Schule, die Astrid-Lindgren-Schule - immer wenn ein Beitrag über Deutschlands schlimmste Schulen im Fernsehen gezeigt wird, ist die ALS ganz sicher vorne mit dabei. Unter den Lehrern munkelt man sogar, dass die psychiatrische Abteilung des UKE einen Flur, nur für die Lehrer der ALS reserviert hielt.
Dort möchte sie auf keinen Fall bleiben und sie überlegt sich auch einen Plan, wie sie schnellstmöglich wieder an ihre alte Schule versetzt wird.

Von der Autorin kannte ich bisher nur den Roman "Glück ist, wenn mann trotzdem liebt", den ich nur so lala fand. Umso überraschter bin ich deswegen, dass mir ihr neuer Roman so gut gefallen hat.
Und dabei war ich kurz davor das Buch in eine Ecke zu pfeffern.

Die érsten Kapitel fand ich nämlich einfach nur furchtbar. Das lag zum einen an der Protagonistin Annika die am Anfang zumindest, einfach nur langweilig war. Sie jammert seitenlang der alten Arbeitsstelle hinterher, geht völlig in ihrem Selbstmitleid auf, bedauert dass sie sich nun anstrengen muss. Sie ist bequem, harmoniesüchtig und will nirgendwo anecken. Und dann schleppt sie auch noch seit Jahren ein hochexplosives Paket aus unterdrückten Gefühlen mit sich herum, und das hält sie vor ihren besten Freunden geheim, was ich gar nicht verstehen konnte. Warum sie darum so ein Geheimnis machte wird zwar von ihr erklärt, überzeugen konnte mich das aber nicht.
Aber erst richtig die Augen verdrehen musste ich, als Annika zum ersten mal mit den Jugendlichen der ALS zu tun bekommt. Da braucht man nicht viel Vorstellungskraft um sich die Kinder vorzustellen. Man nimmt einfach alle Schüler aus dem Film "Fack Ju Göhte", überspitzt diese Charaktere auch noch, indem man alle Klischees über Problem-Kids nimmt die es so gibt und lässt die Jugendlichen immerzu Dinge sagen wie "Ey, yo Alter, voll krass". Fertig!

Aber das wurde, nachdem Annika sich endlich mal wieder einkriegt und über ihre Probleme von damals spricht, zum Glück schlagartig besser.
Annika hat ab da nämlich einiges zu tun. Sie muss sich in Sachen Liebe um einiges kümmern, weiß dabei nicht so Recht, wo sie da hin will. Und dann wird ihre Arbeit mit den Jugendlichen interessant. Die sind zwar immer noch sehr klischeehaft dargestellt, aber sie fangen an, sich wie normale menschliche Wesen zu benehmen und ich konnte nach und nach jeden Einzelnen von ihnen in mein Herz schließen.
Ich mochte es wie Annika über die Musik spricht und die klassischen Stücke habe ich mir alle angehört hinterher.
Dann gibt es noch ein Wiedersehen mit einem ganz bestimmten Taxifahrer.

Den Stil der Autorin mochte ich sehr da er ziemlich humorvoll ist. Durch die Arbeit mit den Kindern werden aber auch sehr ernste Themen aufgegriffen wie Mobbing oder den Klassenunterschied in der Gesellschaft. Das Gefühl der Perspektivlosigkeit der Jugendlichen kam sehr gut zum Ausdruck und machte mich sehr betroffen. Über das sehr emotionale Ende war ich begeistert, ein paar Tränchen musste ich mir jedenfalls verdrücken.
Ich könnte mir diesen Roman sehr gut als Film vorstellen. Es ist eine Mischung aus "Fack Ju Göhte", "Sister Act 2" und Annika hat große Ähnlichkeit mit Ally McBeal. Das würde sich bestimmt gut auf der Leinwand machen.

Für einen sehr schwachen Anfang, dafür mit einem umso besseren Ende vergebe ich 4 von 5 Punkten.