Rezension

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Charmant und interessant aber es fehlt auch etwas

Die Sehnsucht des Vorlesers
von Jean-Paul Didierlaurent

Bewertet mit 4 Sternen

So, nun also die Rezension zu meinem ersten Leserundenbuch über dessen Gewinn ich mich sehr gefreut habe, was mir aber auch gezeigt hat, dass Leserunden eher nichts für mich sind.

Zum Inhalt:

Der Protagonist Guylain Vignolles ist ein sympathischer Mann, der mit seinem Leben nicht wirklich zufrieden ist. Er arbeitet in einer Fabrik zur Papierwiederverwertung, hasst aber seinen Job, rund um die von ihm "die Bestie" genannte Maschine, welche Bücher zu Papierbrei verarbeitet, welcher zu Herstellung neuer Bücher verwendet wird. An diesem von Guylain verhassten Ort, gibt es somit eine "böse Seite" mit der Maschine "Zerstör", dem cholerischen und unterdrückenden Fabrikchef Kowalski, sowie dem Kranführer Brunner, welcher die Maschine schadenfroh mit Büchern füttert und gerne Guylians Henkersjob, die Maschine einzuschalten, hätte. Es gibt bzw. gab dort aber auch die "gute Seite", nämlich Guylains Freunde Yvon und Giuseppe. Wobei Yvon als Wachmann am Einlassschalter der Fabrik arbeitet, und Giueseppe, welcher vor einem Unfall mit der "Bestie", auf dem Posten arbeitete, welchen Guylain jetzt besetzt. Giuseppe arbeitet seit dem Unfall nicht mehr in der Fabrik, da er in der Maschine beide Beine verlor. Er hat Guylain, als sie noch gemeinsam arbeiteten, gezeigt, wo in der Maschine noch weitgehend unversehrte Blätter hängenbleiben und sie "Findelkinder" genannt. Die Tradition, diese aus dem "Magen der Bestie" zu retten ist somit von Giuseppe auf Guylain übergegangen, wobei es Guylain aber nocht weiter treibt, da er diese Buchseiten auch jeden Morgen im Zug zur Arbeit seinen Mitreisenden vorliest. Im Laufe der Geschichte wird er auf diesem Wege auch von zwei Seniorinnen entdeckt, die ihn schließlich dazu bringen auch in ihrem Seniorenheim vorzulesen. Weiterhin hilft Guylian seinem Freund Giuseppe dabei, seine Beine wiederzufinden, indem er versucht alle Exemplare eines Gartenhandbuchs aufzutreiben, welches aus dem Papierbrei entstanden ist, in dem Giuseppe damals in der Bestie, seine Beine verloren hat. Weiterhin erfährt man auch noch mehr über Guylians Alltag in seiner einsamen Wohnung mit einem Goldfisch und dass er seiner Mutter am Telefon sein Leben so vorgaukelt, wie er es sich erträumt, aber nicht wie es wirklich ist. Im weiteren Verlauf der Geschichte ändert sich dieses monotone Leben aber, da er zufällig einen USB-Stick findet, auf dem sich das digitale Tagebuch der jungen Klofrau Julie befindet, in die sich Guylain durch die Texte, nach und nach verliebt. Schließlich macht er sich auf die Suche nach ihr, findet sie schließlich auch, was aber zu einem sehr offenen Ende des Buches führt.

Besonders positiv an diesem Buch fand ich die wirklich sehr verschiedenen Charaktere, mit ihren liebenswerten Eigenarten. Yvon, den belesenen Poeten und Dramatiker, Guylian in seiner kleinen verschrobenen Welt mit seinem Goldfisch, Giuseppe, dem man einfach nur das Beste bei der Suche nach seinen Beinen wünscht, sowie Julie, welche nach den Weisheiten ihrer Tante lebt, wunderbare Texte verfasst und auf eine gewisse Art sehr zufrieden mit ihrem ungewöhnlichen Beruf ist. Negativ ist aber leider anzumerken, dass Guylians Weltsicht wirklich sehr schwarz-weiß und kindlich wirkt, da es immer auf "gut" und "böse" ohne Zwischentöne hinausläuft. Ich hatte z.B. auch über den ganzen Zeitraum des Buches gehofft, dass Guylian etwas in seinem Leben ändert, wie etwa nach einem anderen Beruf sucht oder auch nur seine Einstellung zu seinem jetzigen Beruf ändert, da ja nicht nur Bücher zerstört werden, sondern erst dadurch neue entstehen können. Ich hätte mir erhofft, dass Julie, welche zufriden mit ihrem Leben wirkt, ihm dabei helfen würde, auch seine Arbeit einmal aus einem anderen Licht zu betrachten, doch da war das Buch leider schon abrupt zu Ende.

Das Buch hat sich auch wirklich schnell weggelesen und ich war wirklich nicht vorbereitet darauf, dass es so schnell endet, mit einem wirklichen Cliffhanger, bei dem man sich eine Fortsetzung wünscht. Ich hätte es aber gut gefunden, wenn zumindest in diesem Buch noch etwas mehr gekommen wäre, da es sowieso nicht so viel Seiten hat. Und falls es keine Fortsetzung geben wird, ist das Buch meiner Meinung nach wirklich zu abrupt und kurz. Da alles auf die Begegnung von Julie und Guylain zusteurt und dann doch keine wirkliche Begegnung stattfindet.

Alles in allem hat mir das Buch aber wirklich gut gefallen, besonders auch die humorvollen Passagen, ich fand nur das Ende viel zu abrupt, die Darstellungen im Buch manchmal zu "schwarz-weiß" und Guylians Handlungen nicht immer nachvollziehbar und man lernt seine Freunde auch fast mehr kennen als ihn selbst.