Rezension

Clever geschriebene Apokalypse

Station Eleven - Emily St. John Mandel

Station Eleven
von Emily St. John Mandel

Bewertet mit 5 Sternen

In Toronto steht der in die Jahre gekommene Schauspieler Arthur Leander als „King Lear“ mit Kinderschauspielerin Kirsten auf der Theaterbühne. Mitten im Stück erleidet Leander einen Herzinfarkt und stirbt, obwohl der Rettungssanitäter und Ex-Paparazzi Jevaan sofort Wiederbelebungsmaßnahmen einleitet. Am gleichen Abend hat die Georgische Grippe, ein tödlicher neuer Grippe-Virus, Toronto erreicht...

20 Jahre nach der Pandemie reist Kirsten als Schauspielerin mit der „Traveling Symphony“ durch die Gegend und führt die Theaterstücke von Shakespeare in den wenigen Siedlungen mit Überlebenden vor. In einer Stadt gerät die Truppe mit dem „Propheten“ und seinen Anhängern aneinander. Von nun an geraten Dinge in Gang, die alle mit jenem Abend im Theater verknüpft sind...

„Station Eleven“ ist nicht nur eine Endzeitgeschichte, sondern viel, viel mehr. Oh, wo fange ich an mit dem Loblied?

Die Geschichte ist sehr komplex und unglaublich clever gemacht. Arthur Leander, der bei Beginn der Handlung stirbt, bleibt trotzdem der Link, der alle Handlungsschauplätze und Charaktere miteinander verknüpft. Ich habe bei jedem neuen Abschnitt mit überlegt und gerätselt, bis alle Puzzleteile an ihren Platz fielen. Auch wer der Prophet ist, wird mit subtilen Hinweisen angedeutet. Und warum heißt das Buch „Station Eleven“? Das ist der Titel zweier Comics, die Kirsten seit dem Ausbruch bei sich trägt. Auch sie spielen eine wichtige Rolle in der Handlung.

Der Ausbruch der Georgischen Grippe und der Verlauf der Pandemie wird geschildert, aber auch die Zeit davor und natürlich 20 Jahre danach. Die Autorin springt mit dem Leser munter hin und her durch die Zeit, aber trotzdem bleibt der Rote Faden der Handlung klar erkennbar.

„Station Eleven“ benötigt keine atemberaubende Spannung oder Schockeffekte. Emily St. John Mandel schreibt mit einem eindringlichen und poetischen Stil, der mich förmlich in die Geschichte hineinsaugte. Wenn ich das Buch weglegte, dauerte es einen Moment, bis ich in die Wirklichkeit zurückgefunden hatte und mir klar wurde, dass die Welt nicht untergegangen war. So etwas passiert mir selten bei Büchern. Großartig!

Die Autorin hat mit der „Traveling Symphony“ auch den Wert unserer Kultur thematisiert. Musik und Theater sind im Roman wichtige Faktoren, die das Menschsein der wenigen Überlebenden ausmachen. „Station Eleven“ ist ein Buch, dass trotz des realistischen Schreckensszenarios einer Grippe-Pandemie auch viel Hoffnung ausstrahlt: „Because Survival is insufficient.“

Mein bisheriges Lieblingsbuch 2017!