Rezension

Cogito ergo sum...

Boy in a White Room - Karl Olsberg

Boy in a White Room
von Karl Olsberg

Bewertet mit 3 Sternen

Manuel ist ein fünfzehnjähriger Junge, der eines Tages in einem weißen Raum erwacht. Nichts ist um ihn her, und er weiß auch nicht, wer er ist, wo er ist und ebenso wenig, wie er in diesen Raum gelangte. Eine computergenerierte Stimme namens Alice ist sein einziger Kontakt, doch viele seiner Fragen versteht sie nicht. Immerhin erkennt Manuel, dass er Zugriff auf das Internet hat. Die Geschichte, die er sich online Stück für Stück zusammensetzt, ist schier unfassbar, und doch wird sie später auch von anderen noch bestätigt. Manuel wurde bei dem Versuch, ihn zu entführen, lebensgefährlich verletzt, seine Mutter starb bei dem Verbrechen.

Manuel konnte den Anschlag nur mit Hilfe zahlreicher Operationen an seinem Gehirn überleben, die es auch möglich gemacht haben, nicht nur seine Vitalfunktionen zu erhalten, sondern auch seine Gehirnleistungen. Manuels Gedächntis jedoch ist unwiderruflich zerstört, so dass er sich an sein früheres Leben nicht erinnern kann. Die Umstände seines jetzigen Lebens erkennt er erst nach und nach. Und die Tatsache, dass es weit mehr als eine Wahrheit gibt...

Cogito ergo sum - Ich denke, also bin ich. Dieser erste Grundsatz des Philosophen René Descartes schießt Manuel recht bald durch den Kopf, als er nach seinem Erwachen in dem weißen Raum nicht mehr weiß, wer er ist. Immerhin denkt er, also gibt es ihn - wer auch immer er ist. Später streift er durch virtuelle Welten, bestreitet Abenteuer und kommuniziert mit Menschen in Avatar-Form. Dabei ist Manuel stets auf der Suche nach der eigentlichen Realität und der Wahrheit. Er ist vollkommen verwirrt, da die Informationen so widersprüchlich erscheinen und er bald nicht mehr weiß, wem oder was er glauben soll. Das Ende dann sorgt noch einmal für eine richtige Überraschung.

Die Verwirrung Manuels kann der Leser nur teilen, da er immer auf demselben Wissensstand ist wie der 15Jährige. Nichts ist, wie es zunächst scheint, und die Theorien, was hinter dem Ganzen wirklich steckt, wechseln alle paar Seiten. Ein wenig war das Lesen wie das Auseinandernehmen einer Matrjoschka. Es gab immer noch eine Realität hinter der sichtbaren. Bis zum Kern der Wahrheit. Oder auch nicht? Interessant ist dabei die Mischung aus Philosophie à la Descartes einerseits und Alice im Wunderland andererseits, gewürzt mit einer gehörigen Prise Künstlicher Intelligenz - dem Markenzeichen von Karl Olsberg, der zu dem Thema auch promoviert hat.

Wieder hat der Autor einen interessanten Plot erschaffen mit einem Hintergrund, der nachdenklich stimmt. Im Vergleich zu seinem Roman 'Mirror', bei dem mich die Realitätsnähe so erschüttert hat, kam mir das Thema diesmal allerdings weniger vorstellbar vor - zumindest nach heutigem Wissensstand. Fundamentale Fragen nach Realität und Identität werden hier eingebettet in eine Abfolge abenteuerlicher Szenen, die mir in ihrem konsequenten Wechsel jedoch irgendwann zu viel wurden. Auch kamen mir hier die Emotionen Manuels eindeutig zu kurz, die angesichts solcher Herausforderungen und Erkenntnisse sicher nicht zu unterschätzen sind.

Insgesamt jedoch ein recht spannendes Jugendbuch, das vor allem durch sein Spiel mit den Wahrheiten punkten kann und für einen Denkanstoß der Zielgruppe sicher geeignet ist.

© Parden