Rezension

Da war wohl nix

Dunkles Omen - Kelley Armstrong

Dunkles Omen
von Kelley Armstrong

Kelley Armstrongs Chloe Saunders Serie gehörte früher zu meinen absoluten Lieblingsbuchreihen, kein Wunder also, dass ich ihrem neuen Serienauftakt Dunkles Omen - Cainsville nicht lange widerstehen konnte. Es geht um die junge Olivia Jones, die herausfindet, dass sie adoptiert wurde. Mehr noch, sie ist in Wahrheit Eden Larsen, das Kind zweier Serienmöder, die verhaftet wurden, als Liv zwei Jahre alt war. Als herauskommt, wer sie ist, flieht sie vor der Presse aus Chicago in die nahegelegene Kleinstadt Cainsville - den Ort, an dem ihre Eltern gelebt und gemordet haben...

Ein Großteil der Geschichte wird aus der Ich-Perspektive von Olivia / Eden geschrieben, aber zwischendurch gibt es immer wieder Kapitel aus Sicht anderer Personen, die dem Leser einen Wissensvorsprung einräumen. Vermutlich soll das Spannung aufbauen, wenn wir wissen, dass Olivia in Cainsville erwartet wurde und wenn wir wissen, dass die Raben ein böses Omen sind und wenn wir wissen, wass mit dem Hotelbesitzer tatsächlich passiert ist. Diese Perspektiven zeigen uns nämlich, dass Olivia trotz ihrer neuen Haarfarbe und der Brille von jedem dort erkannt wird. Jeder weiß, dass die kleine Eden Larsen nach Hause zurückgekehrt ist, während Olivia selbst sich in Sicherheit wiegt.

Theoretisch ein guter Ansatz. Und ich bin davon ausgegangen, dass ich dieses Buch lieben werde, so wie es auch mit der Chloe Saunders Reihe der Fall war. Ein geheimnisvolle Stadt, Omen, Raben, Aberglauben, ein Hauch von E. A. Poe. Aber dem ist nicht so, ganz und gar nicht. Zunächst einmal ist da Olivia selbst, die mir furchtbar unsympathisch ist. Sie wirkt so selbstverliebt und arrogant. Natürlich ist ihr dies und jenes aufgefallen, aber sie spielt zur Sicherheit die Ahnungslose. Selbstverständlich glaubte sie dem anderen nicht, es war doch klar, dass er log. Und dann verstehe ich auch ihre Beweggründe nicht. Beginnend dabei, warum sie nicht zu ihrer Adoptivmutter gestoßen und stattdessen nach Cainsville geflohen ist. Warum sie irgendwann aufhört, ihre Adoptvimutter anzurufen. Warum sie den Leichenfund nicht der Polizei meldet. Warum sie Walsh plötzlich doch beauftragt, Nachforschungen über ihre leibliche Mutter anzustellen. Warum sie plötzlich keine Geldsorgen mehr hat und sich sogar einen teuren Anwalt wie Walsh leisten kann, obwohl sie sich vorher Sorgen um ihre Miete gemacht hat. Warum sie von jetzt auf gleich den Kontakt zu ihrer leiblichen Mutter sucht, aber nie von ihrem Vater spricht. Ich könnte ewig so weiter machen.

Dann kommen wir zur Handlung. Dunkles Omen wird als Thriller deklariert. Aber Spannung kommt bis Seite 300 (von 600) keine auf. Figuren tauchen auf und verschwinden wieder, es werden Handlungsstränge eingeführt, die dann doch ins leere Laufen. Kapitel enden abrupt, scheinen teilweise gar nicht mit dem nächsten verknüpft zu sein. Hier und da gibt es ein paar Mysteryelemente, die den Leser bei Stange halten sollen, auf die aber auch nach 300 Seiten noch nicht genauer eingegangen wird. Aberglaube scheint auch eine wichtige Rolle zu spielen. Die erste Hälfte ist bestenfalls ein Krimi mit einem arroganten Anwalt und einer ebenso arroganten Möchtegern-Ermittlerin als Hauptfiguren. Dazu kommt, dass der Plot nicht nur langweilig ist, er wirkt auch vollkommen unausgegoren. Wie eine Rohfassung, der ein gründlicher Feinschliff fehlt.

Dazu kommt die Sprache. In der Chloe Saunders Reihe habe ich gerade wegen ihres Schreibstils geliebt. Frech, emotional aufgeladen, humorvoll, spannend, fesselnd. Der Stil in Dunkles Omen ist all dies nicht. Ich finde ihn einfach nur schlecht. Furchtbar holprig, mit hölzernen oder komischen Formulierungen. Es liest sich wie das unlektorierte Debüt eines Teenagers. Ein Beispiel? Bitteschön: "Seine Stimme klang verändert. Weniger knurrig, eher schnurrig." (256) Oder "Ich hörte das Krachen von Faust auf Knochen. Sah, wie Hale von den Füßen gerissen wurde. Blut spritzte aus seinem Mund." (272)

Vielleicht wird Dunkles Omen nach diesen 300 Seiten plötzlich super spannend. Vielleicht entwickeln die Figuren endlich Tiefgang, vielleicht wird Olivia mir sympathischer, vielleicht werden die ganzen losen Handlungsstränge doch noch zusammengeführt. Ich habe nach 300 Seiten Quälerei beschlossen, dass es mir reicht. Ein langweiliger Plot ist eines, aber wenn der Stil dann auch grottenschlecht ist, ist meine Geduld schnell erschöpft. Schade, Kelley Armstrong, ich bin deutlich besseres gewöhnt und sehr enttäuscht von Dunkles Omen, da ich mich mit Cainsville auf eine neue Lieblingsreihe gefreut habe. Das war wohl nichts.

(c) Books and Biscuit