Rezension

Das deutsche Mädchen oder Das Tal der Rosen

Das Erbe der Rosenthals
von Armando Lucas Correa

Bewertet mit 5 Sternen

1939. Die 12-jährige Hannah lebt mit ihren wohlhabenden Eltern in Berlin. Die Judenverfolgung der Nationalsozialisten wird immer schlimmer, auch Hannahs Familie ist davon betroffen. So versucht der Vater Max, die Familie außer Landes zu schaffen und kümmert sich sogar darum, dass Hannahs Freund Leo und dessen Vater mit von der Partie sind. Endlich gelingt es ihm, für alle eine Passage auf dem Schiff St. Louis Richtung Kuba zu ergattern, von dort wollen sie dann nach New York weiterreisen. Die dreiwöchige Schiffsreise endet damit, dass die St. Louis zwar vor Kuba anlegt, doch die Passagiere das Schiff erst einmal nicht verlassen dürfen aufgrund von geänderten Visabedingungen. Hannah und ihre schwangere Mutter Alma dürfen in Kuba an Land gehen, müssen aber den Vater sowie Leo zurück an Bord lassen. Während das Schiff gezwungen ist, zurück nach Europa zu fahren, müssen Hannah und ihre Mutter in Kuba zurechtkommen…

2014. Die 12-jährige Anna lebt mit ihrer Mutter in New York. Der Vater starb bei den Anschlägen am 11. September 2001, Anna hat ihn nie kennengelernt, besitzt nur ein Foto von ihm, und dies ist ihr kostbarster Schatz. Eines Tages erhält sie mit der Post einen Briefumschlag aus Kuba von Hannah, der Tante ihres Vaters. Anna reist mit ihrer Mutter nach Kuba, um Hannah kennenzulernen und mehr über ihren Vater und dessen Familie kennenzulernen…

Armando Lucas Correra hat mit seinem Buch „Das Erbe der Rosenthals“ seinen Debütroman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft und eingängig, dabei mit Melancholie unterlegt und sehr bildhaft. Schnell kann der Leser in die Geschichte eintauchen. Die Handlung teilt sich auf in zwei Erzählperspektiven, die eine beschreibt das Leben von Hannah ab 1939 bis hin zur Gegenwart, der andere befasst sich mit Anna im Jahr 2014, am Ende vereinen sich die beiden. Durch die akribische Recherche des Autors bekommt der Leser nicht nur sehr viele Informationen über die Schiffsreise der St. Louis und das tragische Einreiseverbot der Passagiere, sondern auch über die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Kuba über den gesamten Zeitraum. Sowohl die kubanische Revolution als auch die vielen Enteignungen und die Verarmung der Bevölkerung werden thematisiert, ebenso geht es um Religionsverbot und Verfolgung. Dem Autor ist es hervorragend gelungen, die ganzen historischen belegten Fakten mit seiner Erzählung zu verbinden, so dass der Leser das Gefühl hat, hautnah dabei zu sein. Die beigefügten Passagierlisten und Fotos im Anhang des Buches geben den Menschen ein Gesicht und der Geschichte noch mehr an Realität.

Die Charaktere sind sehr individuell ausgearbeitet und mit Leben versehen worden. Sie wirken durchweg realistisch und authentisch. Hannah ist ein lebenslustiges Mädel, dass  mit ihrem Freund Leo die Straßen Berlins unsicher macht und der insgeheim ihre große Liebe ist, wenn man in dem Alter schon davon sprechen kann. Gleichzeitig fängt sie die immer düster werdende Stimmung der Stadt und ihrer Eltern auf, lässt sie gar Mordgedanken ihnen gegenüber denken. Gleichzeitig ist Hannah eher zurückhaltend und sehr auf ihren Vater fixiert, der sie liebevoll umsorgt. Über die Jahre ist Hannah eine Frau geworden, die in dem einst aufgezwungenen Gefängnis lebt und sich damit arrangiert hat, doch frei fühlt sie sich nie. Sie wartet immer noch darauf, dass sie eines Tages wieder mit Leo vereint ist. Das Verhältnis zur Mutter ist eher als ambivalent zu beschreiben. Alma ist eine sehr exzentrische Frau, die immer exquisit gekleidet ist und eher arrogant-snobistisch wirkt. Doch sie ist Frau, die einen Großteil ihres Lebens verloren hat und dadurch keine Kraft mehr in sich trägt, sich um den verbleibenden Rest zu kümmern. Anna ist ein großartiges Mädchen, das die Erinnerung an den nie gekannten Vater hochhält und alles über ihn wissen will. Sie inhaliert jede neue Information und freut sich darüber, endlich einen Teil seiner Familie kennenzulernen. Auch die übrigen Protagonisten ergänzen die Handlung mit ihren eigenen kleinen Geschichten und tragen zu mancher Spannung bei.

„Das Erbe der Rosenthals“ ist ein sehr berührender und fesselnder historischer Roman, der den Leser mitten ins Herz trifft und dort noch lange verweilen wird. Einziger Minuspunkt der Geschichte ist die Erzählweise der beiden Mädchen, die, obwohl erst 12 Jahre alt, wie Erwachsene denken und reden und dem Ganzen damit ein wenig an Authentizität rauben. Ansonsten kann man hier nur eine absolute Leseempfehlung aussprechen für ein wirklich gelungenes Debüt!