Rezension

Das Ende der Unschuld

Auf Null - Catharina Junk

Auf Null
von Catharina Junk

Nina ist gerade einmal 20, als sie die niederschmetternde Diagnose bekommt: Akute myeloische Leukämie. Eben war ihr Leben noch in Ordnung, sie eine unbeschwerte Studentin, die gerade erst in eine Großstadt gezogen war und ihre Zeit dort genießen wollte. Doch der Krebs nimmt einem die Unschuld, wie sie später sagt. Nina kämpft ein Jahr lang mit dem Krebs, übersteht mehrere Chemo-Therapien, eine schwere Lungenentzündung und die tiefe Depression, die sie dort so einsam in ihrem Krankenzimmer einholt. Doch diese Geschichte beginnt nicht mit Ninas Krankheit, sie beginnt dort, wo der Krebs endet. Bei ihrem Kampf zurück ins Leben, bei der Frage danach, was nach dem Krebs kommt und ob sie ihrem Körper je wieder vertrauen kann.

Es ist eine spannende Frage, die Autorin Catharina Junk aufwirft. Es ist teilweise auch eine autobiografische Erfahrung, die sie verarbeitet, wo sie doch schließlich selbst in jungen Jahren an Krebs erkrankt war. Und ich glaube, dass es genau jener Umstand ist, der ihre Worte so unglaublich echt und authentisch wirken lässt. Für einen Außenstehenden ist das zwar schwer zu beurteilen, aber ich kann zumindest sagen, dass ich mich Nina sehr nah gefühlt und mit ihr mitgefühlt habe. Man liest nicht nur, man ist dabei.

Die Autorin versucht, möglichst allumfassend Ninas komplexe Erfahrungen sowohl während der Krankheit als auch nach ihrer Heilung darzustellen. Sie geht auf ihren kleinen Bruder Theo ein, der sich mitten in der Pubertät vernachlässigt, als „das Kind ohne Krebs“ fühlt, der Halt in einer Sekte sucht und von Schuldgefühlen geplagt wird. Sie lässt Nina anderen „Überlebenden“ der Krankheit begegnen, sie geht auf die schwierige Situation ihrer Eltern ein, die eigentlich nur helfen wollen und sie zeigt, wie Ninas beste Freundin Bahar immer weniger mit der Krankheit umgehen kann. Und insbesondere lässt sie uns spüren, welche Schwierigkeiten Nina damit hat, andere Menschen in ihr Leben zu lassen. Schließlich könnte sie doch jeden Tag einen Rückfall bekommen und sterben.

Die Geschichte ist daher unglaublich facettenreich, sie spricht Vieles an und geht auf eine Vielzahl von Problemen ein, mit denen sich Nina konfrontiert sieht. Kritisieren kann man allerdings, dass keines von ihnen wirklich in der Tiefe ausgebreitet wird. Auch die sich entwickelnde Liebesbeziehung zu Erik bleibt nur eines von vielen Themen, welche lediglich an der Oberfläche gestreift werden. Das finde ich sehr schade und ich hätte mir da mehr persönliche Gedanken der Protagonistin zu gewünscht. Andererseits kann man die Komplexität des Lebens niemals vollumfänglich auf 400 Seiten abhandeln.

Insgesamt ist der Autorin hier ein emotionales, echtes und nachdenklich stimmendes Debüt gelungen und ich hoffe sehr darauf, bald wieder von ihr lesen zu können. Denn sie hat einen einzigartigen Stil, der mir als Leserin das Gefühl gab, als erzählte mir eine beste Freundin ihre Geschichte. Gleichzeitig jagte sie mir aber auch ordentlich Angst ein, denn Ninas Geschichte zeigt: Es kann jeden von uns treffen, jeden Tag, völlig willkürlich.