Rezension

Das Ende eines Literaten

Wiesenstein - Hans Pleschinski

Wiesenstein
von Hans Pleschinski

Bewertet mit 3 Sternen

In den letzten Kriegstagen wird der betagte Gerhart Hauptmann, berühmter Literat, Nobelpreisträger von Dresden nach Hause nach Wiesenstein eskortiert. Dem Bombenhagel in Dresden entkommen verlebt er nun seine Zeit auf seiner Trutzburg, gemeinsam mit seiner halberblindeten Frau Margarete, seiner Sekretärin, seinem Heilmasseur. Seine gesamte Entourage zeugt davon wie privilegiert der Schriftsteller immer noch ist. Es ist nicht nur das schwindende Augenlicht der Gattin, sondern vor allem das fehlenden Augenmaß für all das Elend des Krieges, der Nöte der Flüchtigen, den politischen Umwälzungen, das die Hauptmanns in kein gutes Licht rückt. Wiesenstein ist immer  noch ein Ort der Dekadenz, wie unberührt das Ehepaar und deren Gefolgschaft in ihrem Domizil gleichsam dem wolkenverhangenen Olymp vor sich hin leben. Hauptmann hatte Kaiser und diverse Reichskanzler überlebt, in jedem Regime seinen Vorteil gesucht. Preisgekrönt, instrumentalisiert und gerne sich instrumentalisieren lassend.

Pleschinskis Roman ist angefüllt mit historischen Abhandlungen aus Politik und Literatur. Und doch ist es ein Roman, kein Sachbuch, keine Biografie. Unendliche Verweise aus dem Schaffen Hauptmanns, einer Werkschau gleich, bremsen den Lesefluss. Bei aller literarischen Größe, die man Hauptmann zuspricht, bleibt der Schriftsteller in diesem Roman vor allem als tattriger, stotternder Greis, als Opportunist und politischer Erfüllungsgehilfe in Erinnerung. Figuren, die beim Lesen ausschließlich Widerwillen erzeugen, hinterlassen nur einen schalen Leseeindruck. Gelegentlich lassen sehr kurze und lapidare Feststellungen das ganze Ausmaß des Schreckens des Krieges spüren, doch diese wenigen Momente werden sehr schnell von ewig wiederkehrendem Lamento der scheinbaren Ungerechtigkeit dem großen Genie Hauptmanns gegenüber abgelöst.

Mir hat dieses Buch sehr viel Durchhaltevermögen abverlangt. Ich wurde weder mit Inhalt, Sprache und Charakteren des Buches warm. Letztlich kann ich sagen, dass ich viel über die Geschichte Hauptmanns gelernt hat, so wie sie uns Pleschinki darstellt. Was in seinem Werk Fakt und was Fiktion ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Die menschlich wenig ansprechende Charakterisierung Hauptmanns hat es mir jedenfalls vergällt, mich weiter in sein Leben und Werk zu vertiefen.