Rezension

Das Englandspiel

Tod von oben - Jürgen Ehlers

Tod von oben
von Jürgen Ehlers

Bewertet mit 5 Sternen

„...Du bist wie ein Blatt im Wind, Gerhard. Und wohin der Wind weht, dahin lässt du dich treiben. Und jetzt treibt er dich geradewegs ins Feuer...“

 

Wir schreiben das Jahr 1941. Die Niederlande stehen unter deutscher Besatzung. Reichskommissar ist Arthur Seyß-Inquart.

Ein Flugzeug aus England bringt zwei Agenten in die Niederlande, den Deutschen Gerhard Prange und den Niederländer Aart Alblas. Sie werden schon während des Absprungs getrennt. Sofieke, eine junge Frau, beobachtet den Absprung von Gerhard. Er wird fast sofort von zwei Polizisten verhaftet. Er beruft sich auf seine Bekanntschaft mit Seyß-Inquart. Das rettet ihm zwar das Leben, doch er muss sich als Agent für die Deutschen verpflichten.

Der Autor hat einen spannenden Roman über ein Stück Kriegsgeschichte geschrieben. Der Hintergrund der Handlung ist in großen Teilen real.

Der Schriftstil ist abwechslungsreich. Gerhard ist schwer zu durchschauen. Mit Rückblick auf die vergangenen Jahre formuliert sein Vater das oben angeführte Zitat, bevor er den Kontakt zum Sohn abbricht. Was will Gerhard wirklich? Warum hat er sich auf das riskante Abenteuer eingelassen? Erst nach und nach werden seine Motive klar.

Sofieke ist Jüdin. Sie hat den Namen gewechselt, ihr Elternhaus und den Wohnort verlassen und versucht sich nun als Niederländerin durch das Leben zu schlagen. Das wird immer gefährlich, denn jetzt soll auch in den Niederlanden die Judenfrage gelöst werden. Dabei gehen die Verantwortlichen äußerst raffiniert vor, da die niederländische Bevölkerung schon einmal gezeigt hat, dass sie in dem Punkt sehr sensibel reagiert. Andererseits bemerken Gerhard und vor allem Aart, dass es nicht einfach ist, die Niederländer für den Widerstand zu gewinnen. Sie wollen endlich in ruhe und Frieden leben und nehmen dafür die eine oder andere Unannehmlichkeit auf sich.

Schwierig zu verstehen ist das Handeln der Engländer. Sie haben nicht nur die Lage in den Niederlagen falsch eingeschätzt, sondern schicken wieder und wieder junge Männer in das sichere Verderben. Es fehlen eine angemessene Ausbildung, unangreifbare Papiere und sichere Kontaktadressen. Hinzu kommt, dass die Agenten über mögliche Gefahren völlig im Unklaren gelassen werden.

Gut finde ich, dass mir der Autor auch Einblick in das Familienleben von Seyß-Inquart gewährt. Für die Tochter Dorli ist es eine schwierige Zeit. Sie weiß nicht, wofür ihr Vater alles verantwortlich zeichnet, darf das Grundstück nie allein verlassen und hat keine Freundinnen.

Für zusätzliche Komplikationen sorgen die Spannungen zwischen der SS und der Wehrmacht, hier der Abteilung Abwehr. Jeder neidet dem anderen einen möglichen Erfolg.

Bei den Dialogen wird jedes Wort sprichwörtlich auf die Goldwaage gelegt. Eine Karte der Niederlage, ein ausführliches Personenverzeichnis mit Kennzeichnung der historischen Personen, eine Übersicht über Institutionen sowie Quellenangaben ergänzen das Buch.

Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Sie ermöglicht historische Einblicke in die Agententätigkeit abseits der Front.