Rezension

Das Herz ist ein wildes Dorf

Ein Dorf zum Verlieben - Dorothea Böhme

Ein Dorf zum Verlieben
von Dorothea Böhme

Bewertet mit 3 Sternen

Dorothea Böhme - Ein Dorf zum Verlieben - blanvalet

"Was Wanda will: Yoga unterrichten und vielleicht noch dem einen oder anderen Dorfbewohner aushelfen. Was Wanda nicht will: an ihre Jugendliebe Richard denken, auf keinen Fall! Außerdem will sie nicht verkuppelt werden, schon gar nicht von ihren bislang verfeindeten Großmüttern, die auf einmal ein Herz und eine Seele zu sein scheinen. Was Wanda nicht weiß: Das ganze Dorf verschwört sich gegen Richard, der nach zehn Jahren plötzlich als Arzt wieder auftaucht. Aber haben sie da die Rechnung vielleicht ohne Rücksicht auf Wandas Gefühle gemacht? Denn ihr Herz gerät immer noch aus dem Takt, wenn sie an ihn denkt."

Wanda klammert sich an alte Erinnerungen, anstatt neue zu schaffen. Richard war der Beste, soweit man das von einem 20jährigen sagen kann. Das Dorf Osterbüren muss in dieser Hinsicht gewaltige Defizite haben, dass eine 30jährige, nach immerhin 10 Jahren, solche Vergleiche zieht. War Richard schon mit 20 der perfekte Mann oder brauchen die Männer in Osterbüren Nachhilfe in Sachen Romantik?
Findet sich keiner, der Wanda die Sterne erklärt und sie zum Lachen bringt?
Wie lange hängt ein Herz einem sogenannten Ideal nach und wann erkennt es, das niemand eine so lange, einseitige Treue verdient hat?

Ginge es nach ihrer Oma Gertie, müsste Wanda nur ihre noch tief verborgenen Talente im Putzen und Kochen manifestieren, dann käme schon der Richtige.
Gertie ist eine, die um 6 Uhr aufsteht, um 7 Uhr den ersten Kuchen im Backofen hat und um 8 Uhr alle Fremd-Rolläden kontrolliert.
Ihrer "Gegen-Oma" Maggie kann sie mit deren "Alt-Hippie-Einstellung", so gar nichts abgewinnen, ein liederliches Weibsbild halt, das keine Fenster putzt und schon mal gerne eine Tüte raucht.
Oma Maggie ist der Meinung, ein Minirock aus dem Sexshop würde alles in Gang setzen und will ihrer prüden Enkelin durchs Internet zu einem Date verhelfen.

Plötzlich sind die beiden verfeindeten Omas einer Meinung, Wanda braucht einen Mann, aber auf keinen Fall noch einmal den Richard, der zufälligerweise den Weg von München in sein ehemaliges Heimat-Kaff findet. Er übernimmt für einen Monat die Urlaubsvertretung für den hiesigen Dorfarzt. Zuerst ist Richard noch über die bockigen Dörfler belustigt, doch als sie ihm Repressalien angedeihen lassen, versteht er die Welt nicht mehr.
Sein "Bayern-Status" scheint ihm im Weg zu stehen:
"Aus Bayern kommen Sie!" Frau Hagedorn schaffte es gleichzeitig überrascht und angeekelt zu klingen.."

Die Omas halten eine "Richard-Konferenz" ab: "Jagd ihn aus dem Dorf!"
Dieser plötzliche Aktionismus steht in keinem Verhältnis zu einem kleinen gebrochenen Teenager-Herzen. Richard zog doch nur um, weil er studieren wollte.
Richard wird von einem ganzen Dorf abgehalten, auf Wanda zu treffen. Er wird schon mal eingesperrt, vom Postboten mit dem Fahrrad umgenietet und der Skatverein belagert mit fiktiven Krankheiten die Praxis.

Was vielversprechend anfing und sicher amüsant gemeint war, ging etwas unter, in hektischen Dorf-Klischees. Die Situationskomik käme sicher in einer 90 Minuten-Komödie besser rüber, den Film würde ich mir ansehen.  Ich bin überzeugt davon, dass dieser Roman auch seine Fans findet, der Schreibstil ist flüssig und wer niemals in einem Dorf gelebt hat, kann auch darüber lachen.
Mich hat das Buch leider auf dem falschen Fuß erwischt. Das kommt vor.