Rezension

Diese Rezension enthält Spoiler. Klicken, um alle Spoiler auf dieser Seite lesbar zu schalten.

Das Lied der Mantelmöwe

Sieh mich an - Mareike Krügel

Sieh mich an
von Mareike Krügel

Bewertet mit 5 Sternen

Katharina ist 40, verheiratet mit zwei Kindern und einem Job an der Musikschule. Soweit ist alles ganz normal. Allerdings ist die Tochter hyperaktiv und entsprechend anstrengend, mit dem Ehemann Costas führt Katharina eine Wochenendbeziehung, was zu Spannungen führt, und dann ist da noch dieses Etwas, das sie vor kurzem in ihrer Brust entdeckt hat. Da Katharinas Mutter und andere weibliche Verwandte an Brustkrebs gestorben sind, ist die Entdeckung der Geschwulst für sie wie ein Toderurteil. Noch hat sie mit keinem darüber gesprochen, ja, sie hat sich noch nicht einmal ärztlich untersuchen lassen. Sie macht einfach weiter wie bisher. 
„Sieh mich an“ umfasst einen einzigen Tag in Katharinas Leben, in dem allerdings unendlich viel passiert. Mareike Krügels Schreibstil hat mich begeistert. Sie beschreibt auf äußerst humorvolle und sprachlich virtuose Weise die chaotischen Situationen und die Personen in Katharinas Leben. Besonders angetan hat mir die Beschreibung der Nachbarn Heinz und Theo, die beide in ihrem früheren Leben Frauen waren. Heinz, der Heilpraktiker, erkennt, „welches Lied ein Mensch singt“, bei einem Patienten war es ganz klar das Lied der Mantelmöwe. Ich habe mich wirklich sehr darüber amüsiert. Theo dagegen ist der Meinung, ein richtiger Mann müsse an Elektrogeräten herumschrauben, was nicht ganz ungefährlich ist, wie sich zeigt. Dabei sind die Beschreibungen nie böse, sondern einfach humorvoll und genau auf den Punkt gebracht. 
Wer kennt sie nicht, die Schulsekretärin, die sich ganz ihrer Wichtigkeit bewusst ist? Oder die überambitionierten Eltern, die sich Sorgen machen, wenn ihre Vorschulkinder keine Hausaufgaben zu erledigen haben? 
Für mich war das Buch ein Highlight. Mit Sicherheit werde ich nun auch die anderen Bücher der Autorin lesen. Das Einzige, was meine Begeisterung am Schluss ein wenig gedämpft hat, ist der furiose Schluss. Egal wie verzweifelt und/oder besoffen ein Mensch ist, ich glaube nicht, dass jemand wie Katharina bei einer Firmenfeier so alle Hemmungen über Bord werfen kann. Dies ist aber wirklich der einzige Kritikpunkt an einem Buch, das ich sehr genossen habe.