Rezension

Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid - Terry Pratchett

Das Mitternachtskleid
von Terry Pratchett

„Es ist wichtig, dass wir wissen, woher wir kommen, denn wenn man nicht weiß, woher man kommt, weiß man nicht, wo man ist, und wenn man nicht weiß, wo man ist, weiß man nicht, wohin man geht. Und wenn man nicht weiß, wohin man geht, geht man wahrscheinlich in die Irre.“
Zitat aus dem Nachwort von Terry Pratchett

Zum Inhalt

Tiffany Weh hat es als Hexe des Kreidelandes nicht leicht. Ständig ist sie unterwegs um zu helfen, natürlich immer mit ihrem spitzen Hut, denn davor haben die Menschen Respekt. Sie muss sich nicht nur um die Alten und Kranken kümmern, die Gebärenden nicht zu vergessen, sondern auch um diejenigen, die im Geist nicht mehr ganz wachsam sind. Und selbst, wenn der Alte Micker seine Tochter halb tot schlägt, ist es die Hexe Tiffany Weh, die den Mob davon abhalten muss, den Alten vor einem Galgenstrick in seiner Scheune zu bewahren.

„Als Hexe musste man Entscheidungen treffen, und oft waren es solche, denen ein normaler Mensch lieber aus dem Weg ging, wenn er nicht gleich ganz die Augen vor ihnen verschloss.“ S. 63

Denn woher kommt das Böse überhaupt, fragt sich die junge Hexe. Wo nimmt es seinen Anfang? Aber viel Zeit zu überlegen bleibt ihr nicht. Der alte Baron stirbt vor ihren Augen und das Schicksal nimmt seinen Lauf – aber etwas scheint es zu überholen. Etwas Böses, das aus tiefem Schlaf erwacht und hinter unserer jungen Hexe her ist.

Aber natürlich sind die „Wir-sind-die-Größten“ wieder mit von der Partie und lassen Tiffany Weh keine Sekunde aus den Augen. Doch noch jemand anderes steht auf ihrer Seite und sie hätte sich nie zu träumen gewagt, dieser Person jemals gegenüber zu stehen.

Meine Meinung

Auch wenn ich (leider) schon länger keinen Scheibenweltroman mehr gelesen habe, konnte ich mich sofort wieder in dieser bizarren Welt zurecht finden. Mit seinem genialen Schreibstil schafft es Pratchett gekonnt, mit Wortwitz, Metaphern und einer einzigartigen, bildhaften Sprache einen tiefsinnigen Hintergrund in einen Satz zu packen – und das Buch ist voll von solchen Sätzen. Seine Geschichten bestehen aus Wortzaubereien und ich kann seinen Stil mit keinem anderen vergleichen.

Trotzdem war es für mich ein etwas untypisches Buch aus der Scheibenwelt, dessen Handlung mit leisen Sohlen daherkommt, aber immer mehr an Fahrt aufnimmt. Ein tiefgreifendes Thema, bei dem der Humor aber nicht auf der Strecke bleibt.

Die Substanz, die Moral, die man sich aus dieser Geschichte herauslesen kann, ist wieder einmal breit gefächert. Wichtigster Punkt für mich war die latente Frage, wie Menschen übereinander urteilen. Aus welchem Grund urteilen sie, zu welcher Zeit schlagen Unstimmigkeiten in Gehässigkeiten um und verdient es ein brutaler Säufer, in ihm auch seine gute Seite zu sehen.

Alles Fragen, die sich unsere junge Protagonistin, die Hexe Tiffany Weh in ihrem zarten Alter von 16 Jahren stellen muss und die ihre Aufgabe wieder einmal mit Bravour lösen kann. Der Charakter der jungen Hexe ist sehr eindringlich beschrieben und trotzdem sie unnahbar bleibt, fühlt man in jeder Situation mit ihr mit.
Was mich an den Scheibenweltromanen begeistert, ist auch die Begegnung anderer Charaktere am Rande, die in anderen Büchern eine wichtige Rolle spielen: hier z. B. ein kurzer Auftritt von Samuel Mumm von der Stadtwache und den Hexen Oma Wetterwachs und Nanny Ogg - natürlich in gewohnter, verschrobener Manier.

Schwermütige Themen für einen humorigen Fond, deren Mischung Pratchett wieder einmal sehr gekonnt gelungen ist. Allein wegen der vielen geistreichen Wortschöpfungen lohnt sich jedes Buch aus seiner Feder und auch wenn es anfangs etwas mürbe war, hat es mich sehr gut unterhalten.

Zitate

„Ein junger Mann stieg aus, auf seine Art nicht unansehnlich, aber so steif, dass man auf ihm Hemden hätte bügeln können.“ S. 25

„Das war das Problem mit den Gedanken. Sie dachten sich selbst, und ehe man sich´s versah, drangen sie einem in den Kopf und wollten einen dazu bringen, das Gleiche zu denken.“ S. 62

* „Erde und Salz waren ein uralter Brauch zur Abwehr von Geistern. Da Tiffany noch nie einem Geist begegnet war, schien der Trick zu funktionieren.“ S. 100

„In den Augen der Wir-sind-die-Größten ist die Wahrheit ein derart kostbares Gut, dass man sparsam damit umgehen muss“, sagte sie entschuldigend.“ S. 179

„Aus der abgelegenen Burgküche gellte ein Entsetzensschrei. In der Reaktion auf ein solches Ereignis zeigt sich der Unterschied zwischen Mensch und Tier: Der Mensch läuft hin und sucht das Opfer, das Tier läuft weg und sucht das Weite.“ S. 247

„Aber ein Buch kann doch wohl niemandem schaden, oder? Andererseits enthalten Bücher Ideen, und Ideen können gefährlich sein.“ S. 301

Fazit

Ein ungewöhnliches Buch mit einem tiefsinnigen Thema. Wie gewohnt sehr spezielle Charaktere, anfangs etwas träger Handlung, aber wie immer mit sehr schrägem Humor und unvergleichlichem Wortwitz! Nicht eins meiner Lieblingsbücher der Scheibenwelt aber auf jeden Fall lesenswert!

© Aleshanee
blog4aleshanee.blogspot.de

Kommentare

Amelien kommentierte am 21. Juli 2015 um 03:06

Sehr schöne Rezi :) Ich liebe die Geschichten um die Hexe Tiffany Weh.