Rezension

Das Thema Transsexualität einfühlsam behandelt

George - Alex Gino

George
von Alex Gino

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt

George könnte ein ganz normales Mädchen sein: Sie blättert gerne in Modezeitschriften, verbringt Zeit mit ihrer besten Freundin und wünscht sich, die weibliche Hauptrolle im Schultheaterstück zu spielen. Wenn sie doch nur allen erklären könnte, dass sie kein Junge ist, wie ihre Eltern und ihre Mitschüler alle denken. Denn in Wahrheit ist sie nicht George, sondern Melissa.

Meinung

„George“ ist das erste Buch, von dem ich gehört habe, das sich dem Thema Transsexualität kindgerechnet widmet. Meiner Meinung nach bietet es einen wirklich gelungenen und niedrigschwelligen Einstieg in das Thema - für Leser*innen jeden Alters.

„George“ erklärt das Konzept von „im falschem Körper geboren sein“ wunderbar, in dem es George von Beginn an als sie und als Mädchen beschreibt. Lediglich der Name und einige Seiten später die Reaktionen ihrer Familie lassen einen erkennen, dass es sich bei George um ein Trans-Mädchen handelt - ein Mädchen, dem bei der Geburt (vermutlich aufgrund biologischer Geschlechtsmerkmale) das männliche Geschlecht zugewiesen wurde und das somit von anderen Menschen (noch) für einen Jungen gehalten wird. George hat erkannt, dass sie sich eigentlich als Mädchen fühlt, traut sich aber nicht, dies den Menschen in ihrem näheren Umfeld zu sagen. Durch ihre Darstellung wird Leser*innen jedoch schnell klar, dass George von ihrer Geschlechtsidentität (Im Englischen: Gender) her ein Mädchen ist und wie schwierig diese Diskrepanz sein kann.

Dabei verzichtet das Buch, da es vor allem ein Kinderbuch und in kindlichem Stil verfasst ist, jedoch auf theoretische Erkältungen, beispielsweise zur Unterscheidung von „biologischem“ (sex) und „sozialem“ Geschlecht (gender) und geschlechtsangleichenden Operationen. Wenn man das Buch als Einstieg in die Thematik und/oder mit Kindern liest, kann es daher nicht schaden, sich zusätzlich noch ein wenig Hintergrundwissen anzulesen.
Auch wurde mit George eine der bekanntesten Formen von Transgender und eine Hauptfigur mit eindeutiger Geschlechtsidentität und „typisch mädchenhaften“ Eigenschaften gewählt, obwohl es im Bereich Transgender noch viele andere Formen gibt. Dies dient einem leichten, klaren Einstieg in das Thema und ist für „Neulinge“ des Themas sicherlich ausreichend.

Was ich an „George“ besonders gelungen und wichtig finde, ist die Tatsache, dass es die Verwirrung und Verzweiflung eines Trans-Kindes und die möglichen, teils ablehnenden Reaktionen des persönlichen Umfelds zeigt. Dadurch werden Kinder nicht nur an das Thema herangeführt, Kindern mit abweichenden Geschlechtsidentitäten wird auch gezeigt, dass sie nicht alleine sind und dass sie dazu stehen sollten, wer sie wirklich sind, auch wenn nicht alle Menschen es verstehen werden. Und wie wichtig es sein kann, als Kind Vorbilder (z.B. literarische) zu haben, die einem zeigen, dass man nicht seltsam oder einfach nur verwirrt ist, zeigt dieses Buch ebenfalls.
Aus diesem Grund kann ich dem Buch auch das vielleicht etwas zu positive Ende verzeihen, denn es macht Kindern Mut, zu sich selbst zu stehen, und zeigt ihnen, dass sie es stets wert sind geliebt zu werden - egal mit welchem Geschlecht.

Abseits des theoretischen Hintergrunds: „George“ ist eine liebenswerte und sehr berührende Geschichte, die sich für alle Altersgruppen gut eignet und auf den wenigen Seiten einige niedliche Figuren und emotionale Momente erschafft. Etwas gewöhnungsbedürftig ist allerdings, dass die Geschichte sehr abrupt beginnt und endet. Besonders am Ende war das sehr schade, da ich gerne erfahren hätte, wie es mit George/Melissa weitergeht. Vermutlich wurde das Ende (mit einem absolut gelungenen letzten Kapitel) jedoch so gewählt, da nun eine Auseinandersetzung mit den möglichen weiteren Schritten nach einem Outing eines Trans-Mädchens folgen würde, die für einen Einstieg in das Thema etwas zu weit führen würde.

Eine interessante Information, die den Inhalt des Buches umso glaubwürdiger macht, ist, dass Alex Gino, der Mensch, der das Buch geschrieben hat, ebenfalls transgender ist. Gino fühlt sich jedoch keinem spezifischen Geschlecht, was der Verlag im Klappentext wunderbar respektierte, in dem kein einziges geschlechtsspezifisches Pronomen verwendet wurde. Gino bevorzugt es übrigens, mit dem englischen Pronomen „they“ betitelt zu werden.

Fazit

Als Kinderbuch, das leicht und auf berührende Weise an das Thema Transsexualität heranführt, ist „George“ etwas ganz Besonderes. Es bietet einen tollen Einstieg in das Thema für Leser*innen aller Altersgruppen und gibt Trans-Kindern ein tolles literarisches Vorbild. Für eine intensivere Auseinandersetzung mit den verschiedenen Formen von Transgender und den damit einhergehenden Lebensweisen ist es jedoch zu oberflächlich.