Rezension

Das, was Du siehst, ist nicht real

Hologrammatica
von Tom Hillenbrand

Eine schöne neue Welt, die wie alle schönen neuen Welten ihre Schattenseiten hat.

Die Hologrammatica ist die vorherrschende Realität im Jahre 2088. Ein System aus sogenannten Holonets verkleidet alles, was den Ansprüchen nicht genügt, indem eine durch Holografie vorgegaukelte Hülle darüber gelegt wird. Damit werden Städte, Menschen, Wohnungen, Kleidung, Natur zu einer glattpolierten Täuschung. Hinzu kommt, dass die Menschheit es geschafft hat, ihre Gehirne zu digitalisieren und so speicherbar zu machen. Nun können die sogenannten Cogits in jedes beliebige Gefäß, so der Name der alternativen Körper, hochgeladen werden. Für ein paar Tage, einundzwanzig um genau zu sein, kann also jeder, der ausreichend Geld hat, denn Reichtum verliert auch in der nahen Zukunft nicht an Macht, jeder sein, der er sein will. Danach droht der Braincrash, wenn das Cogit nicht wieder in den Stammkörper zurücktransferiert wird.

 

Diese beiden großen Neuerungen sind nur die Spitze des Eisbergs der von Tom Hillenbrand so detailliert durchdachten Zukunft. Sie reichen als Beschreibung aus, um zu erahnen, welch unendlichen Möglichkeiten, aber auch Probleme sich daraus ergeben. Hillenbrands Welt besticht durch das sorgsam komponierte Funktionssystem im gesamten, das sie authentisch und nah an unserer Realität erscheinen lässt. Fast wie nebenbei stellen sich große Fragen nach Schein und Sein sowie dem „göttlichen“, das Körper und Seele zusammenhält. Antworten muss der Leser freilich selbst finden, hier gibt es lediglich Denkansätze, die aber zum fröhlichen philosophieren einladen. Verpackt ist das Ganze übrigens in einen Kriminalfall, denn der Protagonist Galahad Singh ist ein sogenannte Quästor, die moderne Form des Privatdetektivs, der natürlich auf der Suche nach einer verschwundenen Person ist. So ist die gesamte Handlung in eine nicht unspannende Schnitzeljagt eingebunden, die den Leser bei der Stange hält. Und das Ende verspricht schließlich noch ein paar dicke Überraschungen.

 

Fazit: Zum Schluss weiß man, nicht mehr so genau, was real ist und was nicht. Aber dieses Ende ist für eine Dystopie dennoch eher versöhnlich und birgt die Hoffnung, dass die Menschheit verschiedene Probleme in den Griff bekommen kann. Prinzipiell ist Tom Hillenbrand eine sehr überzeugende Dystopie gelungen, bei der ich dennoch immer eine gewisse Distanzhaltung bewahrt habe, sodass es nicht ganz für fünf Sterne gereicht hat. Dennoch sehr lesenswert!