Rezension

Den Wellen hinterher

Barbarentage - William Finnegan

Barbarentage
von William Finnegan

Bewertet mit 4 Sternen

William Finnegan führt ein ungewöhnliches Leben. Mit 13 entdeckt er das Surfen für sich und bringt es sich selbst bei. Es hilft ihm, mit seinen sonstigen Lebensbedingungen zurechtzukommen, wie beispielsweise Gewalt und Diskriminierung in der Schule. Mit dem Surfen kann er sich Respekt verschaffen. Im Studium beschließt er, den legendären Wellen hinterher zu reisen und vielversprechende Surfspots zu besuchen und dabei die Surftouristen zu meiden. Seine Reise führt ihn unter anderem nach Hawaii, Australien, Ozeanien, Sübostasien. Finnegan berichtet von interessanten Begegnungen, aber vor allem von den Wellen, dem Surfen, seiner Faszination, der Gier nach der perfekten Welle und brenzligen Situationen. Und er berichtet aus einer Subkultur, die sehr stereotypisiert und vorverurteilt ist, doch durch dieses Buch interessante Differenzierungen erfährt.

Doch wer ist William Finnegan? Finnegan ist eigentlich Kriegsreporter und schreibt für den New Yorker, laut Wikipedia eine "Nachrichten-, Kultur- und Literaturzeitschrift". Aber hier schreibt Finnegan nicht vordergründig über das Leben eines Kriegsreporters, sondern über das Surfen. Kann das überhaupt interessant sein? Die Antwort lautet ganz klar: ja! Wenn man sich einmal eingelesen hat in die technischen Beschreibungen und Insiderbegriffe (die am Ende auch in einem Glossar erklärt sind), kann man ganz deutlich den Adrenalinkick spüren, die Gischt im Gesicht und das Donnern der Wellen. Selten hat mich ein Buch mit einer so spezifischen und von mir selbst weit entfernten Thematik so gepackt. Auch wenn die Aussage, dass die ein absolutes Sommerbuch sei, merkwürdig klingt, weil man dabei oft automatisch seichte Lektüre erwartet, ist es dennoch so: "Barbarentage" beschwört die Sonne und den Strand herauf und vermittelt beim Lesen das Gefühl, man würde vom Wasserrand aus den Surfern bei der Ausübung ihrer Leidenschaft zusehen. Zudem ist das Buch sehr informativ: es macht deutlich, warum Surfern ein Faulenzerleben nachgesagt wird. Aber es stellt auch vieles sehr differenziert dar: jeder Surfer hat einen eigenen Stil, eigene Präferenzen, die ganz großen Wellen suchen nur wenige. Und ist ein hochkomplexer Sport, für den man brennen muss. Er benötigt analytische Fähigkeiten, aber auch Wagemut. Ich habe das Gefühl, viel gelernt zu haben.

Und trotzdem ist das Buch auch noch mehr. Natürlich steht das Surfen im Vordergrund. Aber es ist auch eng verknüpft mit Finnegans Entwicklung. Seine Reisen prägen ihn und machen ihn Schritt für Schritt zu dem, der er letztlich wird. Und auch seine zwischenmenschlichen Beziehungen und Bekanntschaften werden immer wieder thematisiert und liefern die ein oder andere Anekdote, aber auch noch tiefere Einblicke, in die Szene beispielsweise.

Was mich an dem Buch allerdings störte war der Stil. Er ist mir ein bisschen zu fragmentarisch. Mitten in Kapiteln gibt es thematische und chronologische Sprünge ohne sanfte Übergänge oder optische Kennzeichnung. Das wirkt manchmal ein wenig wie freies Assoziieren. Viele Anekdoten werden gar nicht so richtig zu Ende erzählt, sondern hören irgendwie mittendrin auf, das fand ich schade. Auch war es mir manchmal einfach zu technisch und bei manchen Begriffen habe ich mich gefragt, ob man die wirklich nicht übersetzen konnte. Alles in allem ist diese Buch jedoch eine sehr positive Überraschung und durchaus für eine breit interessierte Leserschaft geeignet.