Rezension

Deprimierende Geschichte über Sprachlosigkeit in der Familie und die Veränderung von Stadtvierteln

Skandinavisches Viertel - Torsten Schulz

Skandinavisches Viertel
von Torsten Schulz

Bewertet mit 3 Sternen

Schauplatz: das skandinavische Viertel in ehemals Ostberlin. Dort ist Matthias als Kind umhergestreift, dort ist er jetzt, nach dem Mauerfall, Makler, aber einer der besonderen Art. Er versucht nämlich, Einfluss auf die Verkäufe und Vermietungen zu nehmen. Er will nicht, dass Wohnungen und Häuser in die Hände seelenloser Bewohner mit 'Madenmentalität' (41) fallen, die dort nur ihr Geld parken möchten.

"Er will niemand in seinem Viertel haben, der ganz ohne eigene Leistung zu Eigentum gekommen ist."

Er ist ein widersprüchlicher Typ, der dort selbst vier Wohnungen besitzt und von der Vermietung leben kann. Er sieht das kritisch und sich als Kapitalist, auch wenn er das nicht sein möchte.

"Ich bin Teil von etwas Überflüssigem und lebe ziemlich gut davon" (16).

Dieser gegenwärtige Handlungsstrang war für mich interessant, aber leider wurde das Flair des Viertels nicht lebendig. Außer Aufzählungen von Straßennamen und Eckkneipen war da nicht viel Atmosphäre.

Das Leben von Matthias Weber wird aber nicht nur in einem gegenwärtigen Handlungsstrang nachgezeichnet, sondern auch in einem, der in seiner Kindheit spielt, die geprägt war von Sprachlosigkeit und Geheimnissen, von Lieblosigkeiten der Familienmitglieder untereinander bis hin zum Hass. Eine armselige und miefige Atmosphäre liegt wie eine erstickende Glocke über diesen Leben und – wie es scheint – prägt sie das weitere Leben von Matthias, der bindungsunfähig erscheint und trostlos einsam.

Die Sprache ist gehoben, aber distanziert, also passend zur Gefühlslage der Personen. Bei diesen frage ich mich, ob es so viel Sprachlosigkeit und Lieblosigkeit gibt, vielleicht bei einer Person, aber doch nicht bei allen. Das erscheint mir übertrieben. Spannung gibt es keine und manche Passagen über Matthias Versuche, Liebe zu finden, ziehen sich etwas langatmig dahin. Auch das Ende konnte mich in keiner Weise überzeugen.