Rezension

Der etwas andere Laymon

Der Gast - Richard Laymon

Der Gast
von Richard Laymon

Bewertet mit 5 Sternen

Ich bin näher, als du denkst

Eine Nacht in Los Angeles: Eher aus Zufall befreit der ängstliche Neal eine junge Frau aus der Gewalt eines Serienkillers. Zum Dank dafür schenkt sie ihm ein Armband, das magische Kräfte besitzt. Mit seiner Hilfe kann man in die Körper anderer Menschen eindringen – fühlen, was der andere fühlt, spüren, was der andere denkt. Doch was zunächst ein prickelndes Erlebnis zu sein scheint, verwandelt sich für Neal schnell in einen Alptraum.

Die Geschichte von Neal und dem magischen Armband ist dieses Mal nicht “typisch Laymon”.
Als eingefleischter Fan erwartet man mit Sicherheit den für Laymon typischen Splatter. Dieser Roman weicht jedoch sehr vom üblichen Schema ab, so dass ich eine ganze Weile hin und her überlegt habe, ob und wie ich meine Rezension zu diesem Buch formulieren werde.
Ich gebe zu, als wirklich leidenschaftlicher Laymon-Fan haben mir Begriffe wie “Mittelmäßigkeit” und “guter Durchschnitt” ein leichtes Schmerzgefühl in der Magengegend verpasst. So ganz mag ich mich in diesem Fall der Allgemeinheit auch nicht anschliessen.
Zwar habe auch ich den üblichen Gnadenloshorror vermisst, wurde dafür aber auf eine ganz andere Art und Weise positiv überrascht.
Neal Darden, der mehr oder weniger glückliche Protagonist darf in “Der Gast” heimliche Männerträume ausleben, die ich aufgrund des Jungendschutzes und der Spoilergefahr nicht weiter ausführen werde.
Die Beschwerden über unnötig lange Textpassagen kann ich persönlich nicht im geringsten nachvollziehen. Obwohl ich nicht, wie üblich, mit Blut und Exkrementen beworfen wurde, hatte dieses Buch trotzdem seine eigene Magie für mich.
Dieses mal trat der Horror in den Hintergrund und hat Platz gemacht für etwas, das man bei Laymon eher selten findet: Liebe, Opferbereitschaft, Kameradschaft und Vertrauen.
Klingt kitschig?
Ja,  an manchen Stellen schon, aber das ist vielleicht das, was mich dazu gebracht hat, immer weiter zu lesen. Ich habe mich an keiner Stelle gelangweilt und konnte, wie bei allen Romanen von Laymon zuvor, das Buch nicht aus der Hand legen.
Nichtsdestotrotz kam ich auch in den Genuß einiger spannender Passagen, die auf mich einen angenehmen Gänsehauteffekt hatten. Es muss nicht immer ein Blutbad sein. Ein Tränchen im Augenwinkel hat ab und zu auch seinen Reiz. Man sollte dem Roman eine unvoreingenommene Chance geben und sich einfach mal darauf einlassen. Für meinen Teil hat es sich jedenfalls gelohnt.
Leute, es ist immer noch ein Laymon, vergesst das nicht !