Rezension

Der etwas andere Thriller

Schwesterherz - Kristina Ohlsson

Schwesterherz
von Kristina Ohlsson

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Und trotzdem manipuliert sie ihren Bruder", sagte Lucy. "Noch aus dem Grab heraus. Hält ihn in einem eisernen Griff, aus dem er nicht herauszukommen scheint. Martin, es ist sechs Monate her, dass sie gestorben ist. Warum lässt er die Sache nicht einfach auf sich beruhen?"

Der etwas andere Thriller, bei dem eine Mörderin posthum rehabilitiert werden soll, ist megaspannend und hat mich mitgerissen!

Anwalt Martin Benner bekommt kurz vor seinem Urlaub unliebsamen Besuch. In seinem Büro taucht plötzlich der Bruder der 5-fach Mörderin Sara Texas auf und bittet ihn um Hilfe. Es ist fest von der Unschuld seiner Schwester überzeugt, die sich während eines Freigangs, noch vor der eigentlichen Verurteilung, das Leben nahm. Die Beweise, denen Benner nachgehen soll sind allerdings z.T. mehr als dubios und Benner fragt sich mehr als einmal, ob er überhaupt Zeit in diesen "Fall" investieren soll. Aber ehe er sich versieht, steckt er bis zum Hals in einem Komplott, das sein Leben für immer verändern wird.

Oh ja, dieser Thriller polarisiert.
Ich muss dazu sagen, dass ich die Fredrika Bergmann Reihe der Autorin nicht kenne, aber ein großer Fan ihrer (leicht mystischen) Kinderkrimis bin.

Das dieser Thriller so polarisiert liegt wahrscheinlich nicht an seiner Geschichte, sondern wohl eher an der Hauptfigur; dem nicht immer ganz so sympathisch daherkommenden Martin Benner. Mit ihm hat sich Kristina Ohlsson keinen einfachen Protagonisten geschaffen. Er ist arrogant, stur und vögelt sich, respektlos gegenüber seiner Exfreundin, durch alle Betten incl. ihrem. Ihm fehlt oftmals die Achtung vor Frauen und seinem Umfeld. Das spiegelt sich natürlich auch im Schreibstil wider, den ich allerdings jetzt nicht als vulgär empfunden habe. Und ganz ehrlich, dennoch mochte ich Benner irgendwie, er ist geradeheraus und überrascht auch immer wieder mit der Liebe zu seiner kleinen Nichte, die er nach dem Tod seiner Schwester zu sich genommen hat und großzieht. Es steckt also irgendwo doch ein Herz in ihm, nur das stellt er halt nicht oft zur Schau.

Es gibt in diesem Buch kaum wirkliche Sympathieträger, ausser Boris, aber der ist ein richtig schwerer Junge und sollte eigentlich keiner sein. Ja, nicht einmal Belle, die kleine Nichte, treibt den Zuckerspiegel des Lesers in die Höhe, sie ist (Benners Erziehung zuzuschreiben) altklug und frühreif für ihre 4 Jahre.
Hat mich das gestört? Nein! Es ist kein Liebesroman, sondern ein knallharter Thriller. Und letzterem wird er mehr als gerecht. Mich hat schon lange kein Thriller mehr derart gefesselt, dass ich Kapitel um Kapitel verschlungen habe.

Die Autorin ist ein Meisterin in Sachen Spannungsbogen. Das Ganze ist so undurchsichtig und man hat lange überhaupt keine Ahnung wo es hinführen könnte. Und immer, wenn einem mal das Gefühl beschleicht, es wird jetzt etwas ruhiger, geht es im Gegenteil, grad erst so richtig los. Es gibt so viele Erkenntnisse und Wendungen, die man so nicht erwartet hat. Und das mag ich, unvorhersehbare Twists, die aber immer im Rahmen des realistisch Möglichen bleiben. Man tappt zwar kontinuierlich im Dunkeln, hat aber trotzdem das Gefühl, die Lösung liegt jetzt gleich zum Greifen nah.

Das Ende ist allerdings nicht wirklich ein Abschluss. Die Frage um die Morde ist zwar geklärt, aber das Thema geriet im Laufe des Buches eigentlich immer weiter in den Hintergrund, so dass es mehr oder weniger ein offener Schluss ist. Für mich gelungen, da man nahtlos an "Bruderlüge" anknüpfen kann, aber nicht unbedingt muss.

Fazit: Ein fesselnder Thriller, mit einer ungewöhnlichen Geschichte und polarisierenden Protagonisten, der mich nahtlos zum zweiten Teil übergehen lässt.