Rezension

Der große Crash

Das geträumte Land - Imbolo Mbue

Das geträumte Land
von Imbolo Mbue

Bewertet mit 4 Sternen

Jende Jonga ist mit einem Touristenvisum von Kamerun nach New York gereist, in der Absicht die Vereinigten Staaten nie wieder zu verlassen. Sein Cousin Winston unterstützt ihn bei seinem Asylantrag, während Jende sich zwei Jahre mit schlecht bezahlten Fahrerjobs über Wasser hält, bis er endlich genug gespart hat, um seine Frau Neni und den gemeinsamen Sohn nach Amerika zu holen. Neni hat ein Studentenvisum, aber keine Arbeitserlaubnis, trotzdem arbeitet sie neben dem Studium, ebenfalls schlecht bezahlt und ohne Papiere, als Altenpflegerin.

Als Jende eine Stelle als Chauffeur bei Clark Edwards, einem Wallstreet-Hai und Lehman-Manager, bekommt, scheint der Traum von einem besseren Leben für Jende und seine kleine Familie zum ersten Mal zum Greifen nah - bis der große Crash von 2008 das Leben beider Familien auf den Kopf stellt.

 

"Das geträumte Land" ist ein Buch, das mit Extremen spielt. Die Perspektive wechselt kontinuierlich zwischen den beiden Polen der extrem gutsituierten Familie Edwards und der an der Armutsgrenze lebenden Jongas mit ihrem ungewissen Aufenthaltsstatus. So unterschiedlich die Welten von Jende und Clark auch sein mögen, haben doch beide ihre eigenen Probleme. In Clarks Familie kriselt es, seine Frau wirft ihm vor, nur an seine Arbeit zu denken und zu wenig Zeit für seine Familie, vor allem für die beiden Söhne, zu haben. Die Jongas stehen dagegen vor greifbareren Schwierigkeiten, denn ihnen droht die Abschiebung und ihre Finanzen stehen auf sehr wackligen Füßen.

Obwohl beide Familien von der Krise getroffen werden, passiert das doch auf völlig unterschiedlichen Ebenen. Wo die einen sich etwas einschränken müssen, stehen die anderen vor dem materiellen Aus.

 

Wie die Mitglieder der beiden Familien Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, wahrnehmen, könnte ebenfalls nicht gegensätzlicher sein. Während Jende vom amerikanischen Traum und einem besseren Leben, vor allem für seinen Sohn, träumt, ist der ältere Sohn der Edwards, der geprägt von Leistungs- und Erfolgsdruck aufgewachsen ist, sehr kapitalismuskritisch eingestellt und versucht, aus den vorgezeichneten Bahnen auszubrechen und seinen eigenen Weg zu finden - sehr zum Leidwesen seiner Eltern, die ihm ja vermeintlich alle Möglichkeiten verschafft haben.

 

Die beiden Kulturen und Mentalitäten, die hier aufeinanderprallen, machen die Dynamik der Handlung aus. Und nicht zuletzt findet man trotz aller Unterschiede auch wieder Gemeinsamkeiten, denn die Sorge um die Familie, die Angst zu versagen und der Kampf um die Aufrechterhaltung des Lebensstandards steht für beide Familien im Mittelpunkt.

 

Der Autorin hat mich mit ihrem Debütroman überzeugt, sie konnte beiden Familien Leben einhauchen und die Auswirkungen der großen Krise, die 2008 die Welt erschüttert hat, im Kleinen glaubhaft darstellen.