Rezension

Der Stoff, aus dem Albträume gemacht sind!

Die fünfte Welle - Rick Yancey

Die fünfte Welle
von Rick Yancey

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Wir hatten dem Tod in die Augen gesehen, und der Tod hatte als Erster geblinzelt. Man möchte meinen, das hätte uns das Gefühl gegeben, wir wären tapfer und unbesiegbar, aber das war nicht der Fall."
["Die 5. Welle" // Rick Yancey // S. 80]

Erster Satz:
Es wird kein Erwachen geben.

Inhalt:
Mit der ersten Welle fiel der Strom auf der ganzen Welt aus. Die zweite Welle zerstörte alle Küstenstädte. Die dritte Welle brachte ein tödliches Virus und nach der vierten Welle gibt es nur noch eine einzige Regel: Traue niemanden. Auch Cassie hat diese lebenswichtige Regel lernen müssen, nachdem sie ihre Familie hat sterben sehen. Nur ihr kleiner Bruder ist ihr geblieben, doch die Anderen haben ihn mitgenommen. Getrieben von dem Versprechen, ihn wieder zurückzuholen, trifft sie bald auf Evan Walker, der sie rettet, nach dem sie auf der Flucht vor den Anderen angeschossen wurde. Obwohl sie weiß, dass Vertrauen tödlich sein kann, bleibt sie bei Evan und muss schon bald erfahren, welche Grausamkeiten die fünfte Welle für den Rest der Menschheit bereithält...

Meine Meinung:
Dieses Buch ist ein Albtraum! Und nein, damit meine ich nicht, dass es schlecht ist - ganz im Gegenteil! Es rüttelt am Leser, zerrt an ihm, reißt ihn mit und taucht ihn unter - immer wieder. Man könnte zeitweise meinen, es fasse die größten Ängste der Menschheit zusammen und verpacke sie in einer Geschichte. Heraus kommt "Die 5. Welle" und überrollt einen - ganz wie eine Welle es eben tut. Ganz wie im Buch ist es aber nicht nur eine Welle, die da auf einen zukommt, vielmehr sind es vieleWellen. Wellen voller Grausamkeiten, Gefühlen, Gedanken und Vermutungen. Wellen, die einen zeitweise geschockt, verblüfft und mit gebrochenem Herzen zurücklassen. Denn dieses Buch hat es in sich - es beschönigt nichts und es erzählt nicht die perfekte Geschichte einer Kick-Ass-Heldin, was ich in dem Genre wirklich einmal ganz erfrischend fand. Dieses Buch ist definitiv nichts für schwache Nerven, aber es ist auch eine unglaublich vielschichtige Geschichte, die einiges zu bieten hat und an die man sich sicherlich noch lange zurückerinnern wird.

Und das liegt hauptsächlich an all der Brutalität, mit der man konfrontiert wird. Das ist nicht nur physisch, sondern auch zum großen Teil psychisch nur schwer zu ertragen, denn einige Szenen und Handlungsstränge sind hart an der Grenze des Ertragbaren. Allerdings ist auch genau das der Punkt, der das Buch so glaubwürdig und realistisch macht - es läuft nun einmal nichts so, wie man es gerne hätte; vor allen Dingen nicht in der Apokalypse. Das müssen auch die Figuren dieses Buches einmal mehr lernen, denn Rick Yancey verstrickt nicht nur den Leser, sondern auch seine Charaktere in ein Verwirrspiel der besonderen Art, bei dem man schon bald nicht mehr weiß, wem man überhaupt noch trauen kann. Wer also gerne einmal bei einem Buch paranoid wird und hinter jeder Ecke Mord und Todschlag vermutet, der sollte sich "Die 5. Welle einmal genauer ansehen.

"Es ging ihnen nicht darum, uns zu retten. Und es ging ihnen nicht darum, uns zu versklaven oder uns in Reservate abzuschieben.
Es ging ihnen darum, uns zu töten.
Uns alle."
[S. 42]

So schaffen es auch die komplexen und vielschichtigen Figuren ihren Teil zu der Geschichte beizutragen, denn das Buch ist aus vielen verschiedenen Sichten erzählt, die immer wieder wechseln, wobei Cassie den größten Teil der Geschichte einnimmt. Es ist faszinierend zu sehen, wie all die Handlungsstränge und Geschehnisse irgendwann ineinander übergreifen und zu einer großen Geschichte werden. Dabei verfolgt man also nicht nur Protagonistin Cassie, die definitiv eine große Sympathieträgerin ist, sondern auch ihren ehemaligen Schwarm Ben Parrish, der zum Soldaten ausgebildet wird und teils auch die Sicht ihres kleinen Bruders Sam, von dem sie getrennt wird. Gerade was Bens und Sams Sicht angeht, gibt es hier einiges zu verdauen, aber darauf möchte ich nicht allzu sehr eingehen, schließlich muss man all das selbst erfahren. Dennoch kann ich sagen, dass jede Figur aus diesem Buch tatsächlich ziemlich faszinierend ist und seine eigene Note ins Geschehen einbringt.

"Manche Dinge kann man nie hinter sich lassen. Sie gehören nicht der Vergangenheit an. Sie gehören einem selbst an.
Die Welt schreit. Die Welt wird bei lebendigem Leib verbrannt."
[S. 303]

Ganz besonders gefallen haben mir die vielen unterschiedlichen Themen, die in diesem Buch eine Rolle spielen. Neben all den Grausamkeiten und der Apokalypse geht es viel um Vertrauen, die Menschheit, Familie und auch um eine kleine Liebesgeschichte, die sich sanft ins Geschehen einwebt und die - mit ein wenig Pech - in den Folgeteilen zu einer Dreieckskonstellation werden könnte. Die Betonung liegt aber, wie gesagt, auf KÖNNTE. "Die fünfte Welle" ist jugendlich und frisch, aber auch episch und tiefgründig geschrieben, sodass man alles ebenso spüren kann, wie die Figuren. Kleine Längen verzeiht man der Geschichte gerne, denn im Großen und Ganzen bekommt man hier ein Feuerwerk der Emotionen, eine Achterbahn der Spannung und ein Verwirrspiel der Extraklasse, gekonnt in Szene gesetzt vor einem apokalyptischen Szenario - ganz großes Lesekino!

Fazit:
Dieses Buch hat mich überrollt, wie eine Welle. Es hat mich mitgerissen, wie ein Strudel. Und starr und erfroren zurückgelassen, wie ein Blizzard. "Die fünfte Welle" ist ein Spektakel, ein Albtraum und ein Durcheinander der Gefühle und Grausamkeiten. Für schwache Nerven und Mägen ist dieses Buch sicherlich nichts, denn es beschönigt nichts und erzählt eine glaubwürdige und dreidimensionale Geschichte, die aufwühlt, zum Nachdenken anregt und mitreißt. Mit vielschichten Figuren und Handlungssträngen entführt uns Rick Yancey in eine grausame, apokalyptische Welt und konfrontiert uns mit unseren größten Ängsten - aufwühlend, nervenzerreißend und spannend! 4,5 Sterne