Rezension

Der Thriller-Charakter fehlt, aber dennoch gut

Wenn das Eis bricht - Camilla Grebe

Wenn das Eis bricht
von Camilla Grebe

Bewertet mit 4 Sternen

Stockholm. Peter Lindgren wird in das Haus des Geschäftsführers einer Bekleidungskette, Jesper Olle, gerufen. Lindgren findet eine weibliche Leiche vor. Sie wurde geköpft und ihr Kopf mit Blick auf die Tür aufgestellt. Der Mord zeigt große Ähnlichkeiten zu einem zehn Jahre zurückliegenden Mord, bei dem eine geköpfte Männerleiche vorgefunden wurde. Der Mörder in diesem Fall wurde bis heute nicht gefunden. Auch hier tippen die Ermittler im Dunkel, auch nach Tagen wissen sie nicht, wer die Leiche ist und auch nicht wo Jesper Olle abgeblieben ist.

Die Handlung wird aus drei Perspektiven in der Ich-Form erzählt und weist so mehrere Erzählstränge auf. Peter Lindgren ist Kommissar bei der Stockholmer Mordkommission und für die Ermittlungen in diesem Fall zuständig. Der Leser erfährt einiges über seine Jugend und sein Privatleben. Die zweite Perspektive ist Hanne Lagerlind-Schön. Sie ist Verhaltensforscherin und hat früher häufiger mit der Polizei zusammengearbeitet um psychologische Täterprofile zu erstellen. So auch vor zehn Jahren, als die geköpfte Leiche gefunden wurde. Heute hat sich Hanne aus dem Berufsleben zurückgezogen, da sie an Demenz leidet. Die dritte Perspektive ist die von Emma Bohmann. Sie ist Verkäuferin in einem der Läden von Olle Jesper. Emma berichtet im Gegensatz zu Peter und Hanne nicht aus der Gegenwart, sondern aus der Vergangenheit. Sie startet mit ihrer Erzählung etwa zwei Monate vor dem  Mord und „arbeitet“ sich dann bis zur Gegenwart hin. So bildet Emma-Erzählung die Auflösung des Falls. Dadurch zeigt sich schon, dass in diesem Buch nicht der Kriminalfall im Vordergrund steht, sondern die drei Hauptcharaktere Peter, Hanne und Emma. Es werden ihre Gefühle, Gedanken und Erinnerungen beschrieben. Dies auf eine sehr angenehme, bildliche und beschreibende Art und Weise. Der Schreibstil ist sehr flüssig zu lesen und trotz der über 600 Seiten liest sich das Buch in kurzer Zeit. Es gab keine inhaltlichen Wiederholungen und die Handlung war schlüssig und nicht zu ausschweifend. Die Bezeichnung „Psychothriller“ würde ich diesem Buch nicht verleihen. Dafür fehlt es eindeutig an der nervenaufreibenden Spannung. Dennoch war es nicht zäh oder gar langweilig. Ich würde dieses Buch eher als einen dramatischen und spannenden Roman beschreiben. Wie schon erwähnt tritt der Fall an sich in den Hintergrund. Ich würde sagen, der Fall nimmt etwa 100 Seiten des Buches ein, der Rest beschreibt das Innenleben der drei Sprecher. Dennoch hat der Leser das Bedürfnis weiter zu lesen und zu erfahren, wie es weiter geht und vor allem, wer denn nun die Leiche ist und wer der Täter. Das Ende war sehr überraschend und danach sieht man einiges der vorherigen Handlung mit anderen Augen.

Wirklich sehr gut gefallen hat mir die Ausarbeitung der Charaktere. Nicht nur Peter, Hanne und Emma sind sehr gut ausgearbeitet und beschrieben, so dass man einen perfekten Überblick über ihr Inneres und ihre Vergangenheit hat und daher weiß, wieso sie so sind und handeln, wie heute. Sondern auch, dass auch die Nebencharaktere Form annehmen! Zum Beispiel Peters Kollege Manfred, der durch seine extravagante und extrovertierte Art auffällt. 

Schlussfolgernd würde ich sagen: Psycho ja, da der Fall letztendlich dadurch aufgeklärt wird, dass der Leser tiefe Einblicke in Emma Psyche und Kindheit bekommt und er so die Handlungen nachvollziehen kann. Thriller nein, da es hierfür viel zu wenig Spannung gab. Ich habe von diesem Buch etwas anderes erwartet, aber dennoch hat mir dieses Buch gut gefallen. Deshalb gibt es von mir vier von fünf Sternen.