Rezension

Der verbotene Ort

Baba Dunjas letzte Liebe
von Alina Bronsky

Alina Bronskys neuer Roman “Baba Dunjas letzte Liebe” spielt im verstrahlten Tschernowo nach der Reaktorkatastrophe von 1986. Das Dorf ist zum verbotenen Ort geworden, denn die Einwohner mussten ihre Heimat in der Zeit nach dem Unglück verlassen. Baba Dunja und ein Dutzend anderer ehemaliger Dorfbewohner sind zurückgekehrt, um hier ihren Lebensabend zu verbringen. Sie sind zu alt, um noch die Spätfolgen der Strahlung zu fürchten. Ihr Leben ist friedlich und beschaulich, und es bahnt sich sogar eine Liebesbeziehung zwischen Baba Dunjas Freundin Marja und dem fast 100jährigen Sidorow an. Baba Dunja bekleidet für die anderen die Funktion eines Bürgermeisters und traut das Paar.

Es passiert nicht viel, bis eines Tages ein Fremder mit seiner Tochter in den Ort zieht. Es kommt zu einer Auseinandersetzung mit einem Todesfall, den die Polizei aus der Nachbarstadt aufklären will. Alle werden verhaftet. Nach einiger Zeit leben sie jedoch wieder wie zuvor in ihrem Dorf, auch Baba Dunja, die sich schuldig bekannt hatte und nach kurzer Haft begnadigt wurde.

Die handlungsarme Geschichte ist traurig und schön zugleich, traurig, weil Baba Dunja ihre in Deutschland als Ärztin arbeitende Tochter Irina selten, ihre fast erwachsene Enkelin Laura nie sieht. Mutter und Tochter schreiben sich Briefe, die Tochter schickt häufig Päckchen. Am Ende schreibt Baba Dunja auch häufig an ihre Enkelin. Laura hat ihr einen Brief geschickt, dessen Sprache sie nicht versteht. Bei einem Treffen liest Irina den Brief, belügt sie aber über den Inhalt. Der Leser wird nie erfahren, worum es in dem Brief geht und wo Laura sich aufhält, nachdem sie mit ihrer Familie gebrochen hat. Dieser Brief gehört ebenso zu den “losen Enden” wie die Frage, wer denn nun eigentlich Baba Dunjas letzte Liebe ist. Die Autorin hat so viele Aspekte nicht vertieft, die die Leser interessieren dürften, zum Beispiel, warum der Sohn keinen Kontakt zur Mutter hält und keinen Anteil an ihrem Schicksal nimmt. Der Roman vermittelt dennoch eine sehr positive Einstellung zum Leben, weil die genügsame Baba Dunja ein zufriedenes, ja glückliches Leben führt und die Geschichte ausgesprochen witzige Passagen enthält, etwa gleich zu Beginn die Episode um Marjas verzogenen Hahn Konstantin. Insgesamt ist das schmale Bändchen eine recht unterhaltsame Lektüre.