Rezension

Der versteckte Antisemitismus (von Laszlo Trankovits)

Lexikon der antisemitischen Klischees - Peter Waldbauer

Lexikon der antisemitischen Klischees
von Peter Waldbauer

Bewertet mit 5 Sternen

Murnau - Der Antisemitismus lebt. Als Hollywood-Star Mel Gibson im vergangenen Sommer betrunken am Steuer seines Autos aufgehalten wurde, beschimpfte er den vermeintlich jüdischen Polizisten mit dem Vorwurf, dass «Juden an allen Kriegen der Welt schuld» seien.
Dieser offen antisemitische Ausbruch aber ist eher ungewöhnlich. Denn zu ihrer Abscheu vor Juden bekennen sich heute höchstens Verwirrte und Rechtsradikale. Seit dem Holocaust ist zumindest im Westen die offene Diskriminierung von Juden ein Tabu. Im Alltag aber wirken unzählige versteckte Vorurteile. Juden gelten vielen als Weltverschwörer und globale Strippenzieher, als raffgierig und machthungrig. Wer das «Lexikon der antisemitischen Klischees» liest, registriert rasch die brennende Aktualität der oft Jahrhunderte alten Vorurteile.
Der Autor Peter Waldbauer widmet sich in seinem kleinen Buch nicht nur anti-semitischen Hirngespinsten, zum Beispiel dem Vorwurf, Juden würden in ihr ungesäuertes Brot zum Passahfest das Blut ermordeter Christenkinder verarbeiten. Waldbauer entlarvt auch gängige Sichtweisen als abstruse Klischees.
Das beginnt schon mit der Unterstellung, der Gott der Juden sei ein rachsüchtiger Gott, der der Christen ein versöhnender: Schließlich findet sich auch der Satz «Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst» zunächst im alttestamentarischen Buch Jesaja. Der Autor beschreibt, wie Jahrhunderte der Verfolgung und Ausgrenzung Juden in Geldgeschäfte und Handel drängten. Und er weist nach, dass es früher wie heute abwegig ist, eine jüdische Dominanz in der Finanzwelt zu unterstellen, gar die Vorstellung, Juden würden in den USA oder anderswo Wirtschaft und Politik manipulieren können.
Über den aktuell wachsenden linken Antisemitismus, die Fragwürdigkeit vieler angeblich nur Israel-kritischer Äußerungen oder die Judenfeindlichkeit in der islamischen Welt geht es in diesem Büchlein nicht. Der Autor, ein Börsenspezialist, beschäftigt sich mit gängigen Vorurteilen und ihrer Entstehungsgeschichte. Dabei begeht er auch mal sachliche Fehler, zum Beispiel unterstellt er, Israel würde aus dem Ausland finanziert. Dabei ist Israel eines der wenigen blühenden Wirtschaftszonen im Nahen Osten.
Manche Klischees über Juden, das macht das Buch auch deutlich, stimmen allerdings: beispielsweise die Tatsache, dass es im Westen einen weit überproportional hohen Anteil jüdischer Wissenschaftler, Ärzte, Denker, Schriftsteller und Nobelpreisträger gibt. Diese «Sonderrolle» von Juden in der Welt erklärt sich wohl auch als eine Reaktion auf die unvergleichliche Verfolgung und Diskriminierung der Juden in der Geschichte.

Kommentare

sphere kommentierte am 16. September 2017 um 08:56

Interessant, vllt. ergibt sich die Möglichkeit der Lektüre. Danke.

wandagreen kommentierte am 16. September 2017 um 10:34

"überproportional" in Bezug auf was? Männer sind überproportional in allen diesen Bereichen! *g*. Gegenüber was? Gegenüber Frauen!

Wenn das Buch sich nur mit Vorurteilen von anno dunnemal beschäftigt und nicht auf das Heute eingeht (dein zweitletzter Abschnitt), ist es ein kein gutes Buch.

Was hat es für einen Tenor?