Rezension

Deutsch-vietnamesisches Familienepos

Die Töchter des Roten Flusses - Beate Rösler

Die Töchter des Roten Flusses
von Beate Rösler

Bewertet mit 5 Sternen

Romane wie der vorliegende, der im Wesentlichen Familiengeschichte ist und daneben so viele Kenntnisse über eine fremde, hier die vietnamesische Kultur vermittelt, treffen immer wieder meinen Lesegeschmack.

Die Familiengeschichte ist inhaltlich einfach (sorgt aber bei den Beteiligten für viel Gefühlschaos): Die 29jährige Tuyet, Kind vietnamesischer Eltern, ist bei ihrem Vater Phong und dessen deutscher Ehefrau Marina aufgewachsen, stets im Glauben gewesen, ihre Mutter Hanh habe sich für sie nicht mehr interessiert, nachdem Hanh, die als Vertragsarbeiterin aus Vietnam ihrem studierenden Mann in die DDR gefolgt war, mit der älteren Tochter in die Heimat  zurückgekehrt ist. Doch war es wirklich so? Zweifel werden in Tuyet geweckt, als sie nach Marinas Tod in deren persönlichen Sachen einen Stapel ungeöffneter Briefe von Hanh an Phong findet. Tuyet begibt sich auf eine Reise nach Hanoi, um die Heimat ihrer Eltern kennenzulernen und vielleicht ihre Mutter zu finden und deren Sichtweise auf die Geschehnisse ein Vierteljahrhundert zuvor zu erfahren.

Wie die familiären Verhältnisse waren und welchen Einfluss das politische Regime hatte, ist sehr berührend dargestellt. Mit Hanoi als Reiseziel ist es selbstverständlich, dass Vieles über die Geschichte des asiatischen, mir nicht so geläufigen Landes zu erfahren ist. Es empfiehlt sich, vor der eigentlichen Lektüre die historischen Hintergründe im Anhang zu lesen. Denn wer weiß schon wirklich etwas von der französischen Kolonialzeit in Vietnam, dem amerikanischen Krieg, der Teilung und Wiedervereinigung des Landes, seinen Beziehungen zum Bruderland DDR, seiner wirtschaftlichen Öffnung seit Ende der 80er Jahre? Auf alles wird in der Geschichte eingegangen und es ist sehr lehrreich. Interessant sind auch die Beschreibungen des Alltagslebens der Vietnamesen, z.B. dass das Moped das meistbenutzte Verkehrsmittel ist und auf ihm oft zwei und mehr Personen gleichzeitig fahren oder dass das Handy noch vor dem Festnetztelefon Einzug ins Land gehalten hat. Bei den vielen gut recherchierten Detailkenntnissen verwundert es nicht zu hören, dass die Autorin in Hanoi lebt.

Ein sehr empfehlenswertes Buch.