Rezension

Dichter und Kämpfer

Heinrich Heine - Christian Liedtke

Heinrich Heine
von Christian Liedtke

Bewertet mit 5 Sternen

„Das Wort umarmt dich, während der Gedanke dich küßt.“ - Heinrich Heine

Von den einen bewundert, von den anderen gefürchtet: Der ins Exil geflohene deutsche Schriftsteller Heinrich Heine (1797 – 1856) mit jüdischer Herkunft vereinte in sich den Satiriker, den politisch engagierten Journalist, den polemischen Rebell und den feinsinnigen, aber auch kritischen Dichter. Welche Bedeutung Heine für die Literatur, wie auch für seine Zeit hatte und was für ein Mensch Heine war, wird in diesem Buch besonders deutlich.

In 25 Kapiteln buchstabiert sich Christian Liedtke gewissermaßen durch Heines Leben und Werke und gibt somit nicht nur einen guten Einblick in Heines (Gedanken-)Welt, sondern bietet ebenfalls einen erfrischenden Überblick, der aber keinesfalls chronologisch daherkommt.

Um die Neugierde auf dieses feine Büchlein eventuell noch etwas entfachen zu können, liste ich kurzerhand die – meiner Meinung nach - anregenden Kapitelüberschriften auf, wobei hier bereits einige originelle Neologismen Heines entdeckt werden können, die zum Spekulieren einladen: Apfeltörtchen, Bretterkonnexionen, Campejaden, Duell, Erzfreund, Ferne, Goethetum, Hamborger, Ideenguillotine, Juliussonne, Korfu, Lessing, Matratzengruft, Nationalzuchthaus, Ökonomie, Porträts, Quellen, Riesenharf, Sammler,Taufzettel, Übersetzung, Vernichtungskrieg, Weltkuddelmuddel, XY-ungelöst, Zeitgenössinnen

Die Überschriften bilden den jeweiligen roten Faden eines jeden Kapitels. Letztere erinnerten mich an unterhaltsame Essays, in denen Liedtke nicht nur den historischen Kontext, sondern auch die jeweilige Lebenssituation Heines verständlich skizziert.

Um eine Vorstellung von Liedtkes Schreib- und Vorgehensweise erhalten zu können, füge ich einen Auszug aus dem Kapitel 'Ferne' ein:

"Die »Reisebilder« waren es, die Heine berühmt machten. […] Mit dieser vierbändigen Serie hatte er eine neue, offene Erzählform geschaffen, assoziativ, aktuell und subjektiv bis hin zur Willkür: »Im Grunde ist es auch gleichgültig was ich beschreibe; Alles ist ja Gottes Welt und der Beachtung wert, und was ich aus den Dingen nicht hinaussehe, das sehe ich hinein«, bekannte Heine 1826 ebenso lapidar wie selbstbewusst. Interessant waren auf einmal nicht mehr die Dinge, die es objektiv zu beschreiben galt, sondern interessant waren die Art ihrer Beschreibung und das Subjekt, das sie sah – dieser Paradigmenwechsel bedeutet einen Bruch mit der klassischen Autonomieästhetik der »Kunstperiode« (→ Goethetum) und einen wichtigen Schritt zur literarischen Moderne."

Hierbei arbeitet Liedtke, wie am Auszug bereits ersichtlich, immer wieder mit Querverweisen zu anderen Kapiteln, in denen dann auf die jeweils angeschnittenen Themen näher eingegangen wird. Mithilfe von Auszügen aus Briefen und Heines Werken, sowie Aussagen von Zeitgenossen, aber auch Anekdoten bleibt das Buch immer nah an Heine; gleichzeitig verliehen sie den gut formulierten Texten eine zusätzliche Lebendigkeit.

Wie bereits erwähnt hält das Buch interessante Informationen, aber auch Kuriositäten über die damalige Zeit bereit, wie beispielsweise: „Eine der Absurditäten des deutschen Zensurwesens bestand darin, dass 1834 im Deutschen Bund sogar der Abdruck von Zensurstrichen verboten wurde. Vom Zensor getilgte Stellen sollten für die Leser nicht mehr als solche erkennbar, [...]“

Abgesehen davon, dass ich einiges über und von Heine erfuhr und somit auch seinen Werken noch näher kommen konnte, lernte ich einiges dazu. So war mir beispielsweise nicht bekannt, dass Heine für seinen Versepos 'Deutschland. Ein Wintermärchen' (das ich an dieser Stelle wärmstens empfohlen möchte) als Strophen- und Versmaß eine Variante aus der lateinischen Dichtung des Mittelalters, die sogenannten Vagantenstrophe, verwendete. Liedtke erklärt dies anschließend genauer.

Im Anhang kann Heines Leben dank einer Zeittafel [dieses Mal chronologisch ;-)] nachgelesen werden. Ein Zitatnachweis ist ebenso enthalten. Ach ja: Bei den Zitaten wurde die ursprüngliche Interpunktion übernommen, nicht aber die Schreibweise. Diese wurde der heutigen Rechtschreibung etwas angepasst, was ich ein wenig schade fand. Dafür achtete Liedtke – nach eigener Aussage – darauf, den Lautstand nicht allzu sehr zu verfremden, was mich wiederum etwas tröstete.

Anmerken möchte ich noch, dass Heines Tragödien 'Almansor' und 'William Ratcliff' „gespoilert“ werden, was mich aber nicht davor abhalten wird, diese zu lesen – ganz im Gegenteil! Nach dieser anregenden Lektüre möchte ich sie umso lieber kennenlernen.

Abschließend möchte ich das ABC-Buch, diese „Mini-Enzyklopädie“, all jenen empfehlen, die mehr über Heine erfahren möchten und seine Werke schätzen - aber auch jenen, die noch einen Einstieg beziehungsweise nach einen Zugang zu Heine suchen.

„Ist das Leben des Individuums nicht vielleicht eben so viel wert wie das des ganzen Geschlechts? Denn jeder einzelne Mensch ist schon eine Welt, die mit ihm geboren wird und mit ihm stirbt,unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte.“ - Heinrich Heine