Rezension

die Anfänge

His Dark Materials: Über den wilden Fluss
von Philip Pullman

Bewertet mit 5 Sternen

Malcolm arbeitet im Gasthaus seiner Eltern mit und bekommt beim Bedienen der Gäste so einiges zu hören. Nicht nur die Sorge, Ängste und Alltagsgeschichten der Anwohner, auch die interessanten Themen fremder Gäste finden so den Weg zu ihm. Als eines Tages im angrenzenden Kloster ein Baby unterkommt, ist es Malcolm, der sich sogleich zu ihr hingezogen fühlt und weiß, dass Lyra ein besonderes Kind ist. Er macht es sich zur Aufgabe, sie zu beschützen. Als der seit Wochen andauernde Regen eine große Flut auslöst, ist es Malcolm, der Lyra aus dem überschwemmten Kloster rettet und sie zu ihrem Vater bringen möchte. Gemeinsam mit Alice, einer Küchenhilfe aus dem Gasthaus und seinem kleinen Kanu fahren sie über das mit Wasser geflutete Land. Doch auch weitere Gesellen sind hinter der kleinen Lyra her. Malcolm muss seine ganze Kraft aufwenden, um die kleine Lyra zu retten.

Mit "Der goldene Kompass" hat Philip Pullman eine so besondere Welt geschaffen, die parallel an unsere angegliedert ist. Ein Dæmon ist jedem Menschen zugewiesen, der in Tiergestalt als Seelenverwandter fungiert. Ein Mensch und sein Dæmon sind so sehr miteinander verbunden, dass eine Trennung zu körperlichen sowie seelischen Schmerzen führt.

Malcolm ist elf Jahre alt. Er ist ein aufmerksamer Junge, der sich für wissenschaftliche Themen genauso interessiert, wie für Nautik oder den Ablauf in einem Kloster. Er saugt Informationen in sich auf und lernt sehr schnell. Sein Dæmon Asta und er fahren am liebsten auf einem Kanu über den Fluss. Bei seiner Arbeit in der Gaststätte seiner Eltern bekommt Malcolm so einiges mit.
Außerdem ist er sehr hilfsbereit. Gerade im angrenzenden Kloster ist er ein gern gesehener Gast. Er unterhält sich gerne mit den dort lebenden Nonnen, hilft in der Küche oder bei Ausbesserungsarbeiten.
Als dort ein Baby auftaucht, ist Malcolm natürlich neugierig und möchte wissen, warum das Kind da ist. Doch er bekommt nur fadenscheinige Antworten.

Beim Bedienen dreier Gäste wird er von diesen ausgefragt. Und seine Neugier steigt weiter. Wer ist das Baby namens Lyra? Warum wurde sie gerade in das Kloster gebracht? Wer sind die Eltern? Und was ist so besonderes an ihr, dass jeder Interesse zeigt?

Und ab da beginnt ein Abenteuer, dass sich Malcolm so nie hat vorstellen können. Der Autor hat es aber geschafft, sich nicht zu sehr in der Parallelwelt zu verlieren. Dinge, die in der Trilogie "Der goldene Kompass" erklärt wurden, werden hier nochmals erklärt, so dass es nicht zwingend erforderlich ist, erst die Trilogie und dann das Prequel zu lesen. Denn "Über den wilden Fluss" spielt zeitlich vor "Der goldene Kompass" und erzählt die Vorgeschichte von Lyra.

Malcolm ist mir unheimlich sympathisch, da er mit seinem Wissensdurst und dem angeborenen Talent des Zuhören gesegnet ist. Dadurch saugt er so unheimlich viel in sich auf und wirkt mit seinen 11 Jahren schon derart erwachsen, dass man ihn zeitweise gar nicht mehr als Kind wahrnimmt. Er übernimmt eigenständig Verantwortung, ist hilfsbereit, nett und zuvorkommend. Doch bei der Flut kommt manchmal sein "kindliches" Wesen zum Vorschein und man merkt, wie dringend er einen Erwachsenen benötigt, der ihm hilft. In Alice, die ihm dabei hilft, Lyra zu ihrem Vater zu bringen, findet er eine Freundin, die ihn mit ihrer manchmal sehr schroffen Art auf den Boden der Tatsachen zurückholt. 

Die Vorgeschichte schlägt eine Brücke zu der anschließenden Trilogie, die die Bände "Der goldene Kompass", "Das magische Messer" und "Das Bernstein-Teleskop" umfasst. 

Mit einem sehr jugendlich wirkenden Schreibstil, erzählt der 1946 geborene Autor die Geschichte von Malcolm und Alice und schafft es, in einer Geschichte mit wenig Handlung trotzdem Spannung und Abenteuer einfließen zu lassen. Und so begleiten wir Malcolm und Alice auf ihrem Weg über den wilden Fluss, der viele Gefahren bereit hält, aber auch Gutes. 

Einige Informationen bekommt man "zugeschmissen", die sich dann im Laufe der Geschichte aneinander reihen. Es geht nämlich nicht nur um Malcolm und Alice, sondern auch im die geheime Oakley Street, eine Organisation, die sich dem Guten gewidmet hat. Sie hüten die sog. Alethiometer, ein Gerät, dass die Wahrheit anzeigen kann. Diese Geräte werden sporadisch eingesetzt und stehen auch nicht so richtig im Mittelpunkt der Geschichte. Trotzdem sind sie wichtig für die spätere Handlung.

Und so wird man langsam, aber stetig auf die angrenzende Trilogie vorbereitet. Da ich diese schon vor Jahren gelesen habe, werde ich mir die Trilogie als ReRead für 2018 vornehmen und freue mich schon richtig auf ein Wiederlesen mit Lyra und ihrem Dæmon Pantalaimon. 

Fazit: 
"Über den wilden Fluss" ist eine mitreißende Geschichte über den Jungen Malcolm, dessen Herz mehr für andere schlägt.