Rezension

Die Angst vor dem Unbekannten - 5. Fall für Hauptkommissarin Clara Vidalis

Tränenbringer - Veit Etzold

Tränenbringer
von Veit Etzold

Bewertet mit 3 Sternen

Band fünf der Bestseller-Serie von Veit Etzold: Top-Autor Veit Etzold ist mit seiner Hauptkommissarin Clara Vidalis, Expertin für Pathopsychologie am LKA Berlin, regelmäßig auf der Spiegel-Bestsellerliste. Kaum ein deutscher Thriller-Autor beherrscht die Klaviatur harter, realistischer Spannung so wie er. Ihr fünfter Fall bringt Clara auch persönlich an ihre Grenzen:

Ein Serienkiller entführt 18-jährige Mädchen und lässt den Eltern Leichenteile zukommen. Die Ermittler schickt er ein ums andere Mal auf eine falsche Spur. Und vor Jahren fiel Claras kleine Schwester einem ganz ähnlich agierenden Wahnsinnigen zum Opfer, der nie gefasst werden konnte … Harte Fälle, schnelle Action – deutsches Setting! (Quelle: Knaur Verlag)

Der Autor:

Dr. Veit Etzold ist Autor von sechs Spiegel-Bestseller-Thrillern, die in sieben Sprachen übersetzt wurden. Er studierte internationales Management an der IESE Business School mit Stationen in Barcelona, New York, San Francisco / Silicon Valley und Shanghai. Er arbeitete für die internationale Strategieberatung Boston Consulting Group in Europa, Asien und den USA, Booz & Company, die Allianz Gruppe und als Berater für die globale Bergbaufirma Gaia Mineral Resources und die Investmentholding African Development Corporation in Ruanda, Hong Kong und Peking. Er ist Berater des Auswärtigen Amtes, Mitglied in unterschiedlichen Expertengruppen der Atlantikbrücke und Dozent für Geopolitik an der IESE Business School und an der Singapore Management University. http://www.veit-etzold.de/ (Quelle: Knaur Verlag)

Reflektionen:

Mühelos gleitet man in die Geschichte hinein, denn Veit Etzolds Schreibstil, so flüssig und angenehm, macht es einem leicht einzutauchen. Die Story beginnt rasant. Ein Junkie taumelt über eine Straße, er hält ein Paket festumklammert in seinen blutverschmierten Händen, ein Autofahrer kann noch rechtzeitig reagieren, aber dann muss ein LKW ausweichen und rast in die Hauswand eines Hotels. Wie durch ein Wunder gibt es bis auf den verwahrlosten Junkie keine Verletzten.

Die ärztliche Versorgung des Junkies wird jäh unterbrochen, als der ungepflegte Mann anfängt um sich zu beißen und von perversen Pfählungen und von dem Tränenbringer faselt. Erkennungsdienstliche Untersuchen bringen hervor, dass der Mann Spuren von Gehirnmasse an den Stiefeln trägt. Bevor man ihn näher befragen kann, muss er aus medizinischen Gründen ins Koma versetzt werden. Als man das Paket öffnet, findet man darin ein paar post mortem abgetrennte Füße.

„Was dazu führte, dass die Menschen in dem Film ihre Hand freiwillig in siedendes Öl steckten. Und dann die frittierte Hand aßen. Eine Frau schnitt sich die Nippel und die Schamlippen ab. Und schließlich schnitt sie sich ihr eigenes Auge aus und aß es. Stopfte all das in sich hinein.“ (Zitat)

Zeitgleich erhält der Vater eines 18-jährigen Mädchens ein Paket, in dem die Nase seiner Tochter, ihr Schlüpfer und ihr Handy liegt. Dann erhält der Vater einen Anruf.

Die taffe Clara Vidalis, Expertin für Forensik und Pathopsychologie des LKA, steht vor einem neuen rätselhaften Fall, der eine Jagd nach dem schlimmsten gesellschaftlichen Abschaum auslöst und sie an ihre persönlichen Grenzen bringt. Noch immer leidet sie unter Schuldgefühlen zum Tod ihrer kleinen, ermordeten und missbrauchten Schwester, die sie nicht beschützen konnte und so kommt sie in große, persönliche Bedrängnis und Not, als sie erfährt, dass sie schwanger ist. Noch immer lebt sie leicht distanziert mit Mac Death zusammen, der sie gern heiraten will. Aber so weit ist Clara noch lange nicht.

Eine zweite Perspektive erzählt die Klischees behaftete Geschichte von Torstens Jugend in den 80er Jahren, der von seiner Mutter seelisch missbraucht wird und nur als Abschaum und Dreck bezeichnet wird. In ihm brodelt es, er steht kurz davor zu explodieren, quält Tiere, aber diese Perspektive steht noch ganz am Anfang.

„Dann sollte der Inkubus mal wieder begnadigt werden, dieser wahnsinnige Killer, der Frauen umgebracht hatte, nachdem er vorher deren Mülleimer durchwühlt und sich aus den benutzten Tampons der Frauen einen Tee gekocht hatte.“ (Zitat)

Wie gewohnt zeichnet Veith Etzold ausgesprochen intensive Charaktere. Rückblicke auf vorangegangene Kriminalfälle, intensivieren noch einmal die Präsenz dieser spannenden Reihe, doch nach 157 Seiten hat mir dieses Wiedersehen gereicht, auch wenn ich die Figuren nach wie vor mochte.

Im Laufe der Handlung geschehen nicht nur brutale Verbrechen, sondern auch Ausflüge in die tiefsten menschlichen Abgründe. Als Thriller-Liebhaber kann ich mit blutigen Fakten sehr gut umgehen und mich schockt so schnell weder Täter noch Tatort, aber das, was ich in diesem Buch an Widerlichkeiten vorfand, ließ es mich nach 160 Seiten zuklappen.

Ich kann nicht verstehen, dass ein Bestseller-Autor so tief in die Kiste des Ekels greifen muss, wenn er mit literarischer Intelligenz gesegnet und mit scheinbarer Leichtigkeit einen Spannungshöhepunkt nach dem anderen zaubern kann, ohne sich eines perversen Wortschatzes bedienen zu müssen. Das nenne ich Kunst. Veith Etzold versteht es, Spannung zu erzeugen, aber mit Der Tränenbringer geht er für mich persönlich einen verbal perversen Schritt in seiner Ausdrucksweise zu weit.

„Ihr Bauch war von der Brust bis zum Schambein aufgeschnitten. Teile der Innereien fehlten oder hingen aus dem Leib heraus. Dünn- und Dickdarm aber hatte der Täter aus der Bauchhöhle herausgezogen und der Leiche wie einen Strick um den Hals gelegt. „ ... „Erdrosselt mit den eigenen Innereien?“ (Zitat)

Wenn ein Täter von benutzten Tampons Tee kocht bitte, aber Veith Etzold hat es eigentlich nicht nötig, Leser mit Perversionen zu berieseln. Natürlich ist es eine Frage des Geschmacks, ob man bereit ist verbal perverse Sätze in der Form zu lesen, ich bin es nicht.

Fazit und Bewertung:

Im 5. Band der Reihe um Hauptkommissarin Clara Vidalis macht sie erneut Jagd nach dem schlimmsten Abschaum der Gesellschaft und stößt dabei an ihre persönlichen Grenzen. Wer es blutig und pervers mag, der ist mit diesem rasanten und klischeebehafteten Thriller in guter Gesellschaft. Für mich persönlich geht Veit Etzold in seiner Ausdrucksweise immer wieder einen Schritt zu weit in Richtung Perversion. Schade eigentlich, denn er wäre literarisch intelligent in der Lage, auf einen derartigen Wortschatz verzichten zu können und würde dennoch eine hochspannende und fesselnde Geschichte erzählen.

©nisnis-buecherliebe