Rezension

Die Geschichte des ehemaligen Neonazis geht weiter

Winter so weit - Peer Martin

Winter so weit
von Peer Martin

Bewertet mit 5 Sternen

Taschenbuch 636 Seiten
Verlag: Oetinger Taschenbuch (1. Oktober 2017)
ISBN-13: 978-3841503985
empfohlenes Alter: ab 16 Jahre
Preis: 16,00€
auch als E-Book erhältlich

Die Geschichte des ehemaligen Neonazis geht weiter

ACHTUNG: Dies ist der 2. Band einer Trilogie. Meine Rezension enthält SPOILER zum 1. Band „Sommer unter schwarzen Flügeln“. Bitte nur weiterlesen, wenn ihr den 1. Band schon kennt. Zwar werden nach und nach die Geschehnisse des 1. Bandes wiederholt, dies sehe ich aber eher als ein Wiederauffrischen der Erinnerungen. Man sollte „Sommer unter schwarzen Flügeln“ doch besser selbst gelesen haben, bevor man in den syrischen und deutschen Winter zieht, zumal es sich dabei um ein ganz großartiges Buch handelt.

Inhalt:
Nachdem Calvin beim Brand des Asylbewerberheims seine syrische Freundin Nuri verloren hat, will er ihr noch einen letzten Wunsch erfüllen. Er zieht los, um das „goldene Mädchen“ Dschinan aus dem zerstörten und umkämpften Syrien herauszuholen – eine tollkühne und lebensgefährliche Aktion.

Währenddessen lebt Nuris Familie mittlerweile in Berlin-Hellersdorf, wo die Asylbewerber weiterhin den Angriffen der Rechten ausgesetzt sind. Es gibt aber auch positive Kontakte zu Deutschen, die helfen wollen.

Meine Meinung:
Wie schon im 1. Band gibt es auch im 2. wieder zwei bis drei Zitate, die den einzelnen Kapiteln vorangestellt sind. Zitate, die zumeist schockieren und nachdenklich machen, aber auch auf das jeweilige Kapitel einstimmen. Am Ende des Kapitels findet man auch wieder Stichworte für die eigene Internetrecherche. Ich habe diese gerne genutzt, um weitere Hintergrundinformationen zu bekommen, die Geschichte funktioniert aber auch problemlos ohne dies. Wer sich die Mühe nicht machen will, kann also einfach darauf verzichten.

Calvin, der ehemalige Neonazi, der sich in das syrische Flüchtlingsmädchen Nuri verliebt hatte, macht eine starke Entwicklung durch. An seiner Seite erlebt man die Kriegsgräuel in Syrien hautnah mit. Hinrichtungen, Folter, Hunger und Krankheit begleiten seinen Weg auf der Suche nach Dschinan. Doch neben allem Schrecken gibt es auch immer irgendwo ein Fünkchen Hoffnung. Die Liebe zu Nuri hält ihn aufrecht, auch wenn er manchmal am Ende seiner Kräfte und schier hoffnungslos verzweifelt ist. Allerdings ist dieser Band naturgemäß weniger Liebesroman als sein Vorgänger.

Parallel dazu geht auch die Geschichte in Deutschland weiter. Oft werden ähnliche Szenen wie in Syrien beschrieben, die sich in Deutschland jedoch ganz anders auswirken. Diese krassen Gegensätze wurden toll herausgearbeitet und lassen einen auch viele Dinge besser verstehen.

Man trifft viele Charaktere aus dem 1. Band wieder. Sie entwickeln sich alle weiter. Es kommen aber auch neue hinzu, von denen ich einige sofort liebgewonnen habe und von denen mich andere auf Anhieb abstießen. Peer Martin versteht es, seine Figuren lebendig werden zu lassen. Er zieht einen tief in die Handlung hinein. Es wirkt (leider) alles sehr realistisch.

Sprachlich konnte Peer Martin mich wieder absolut begeistern. „Winter so weit“ ist eine Explosion der unterschiedlichsten Bilder. Es ist einfach genial, wie der Autor mit der Sprache spielt, Wörter kreiert, die es vorher nicht gab, die es aber unbedingt geben sollte. Peer Martin schreibt zuweilen sehr poetisch und verschnörkelt. In der arabischen Sprache ist das nicht ungewöhnlich, und somit passt es sehr gut zur Handlung.

Fazit:
„Winter so weit“ ist ein wichtiges Buch. Es nimmt einen emotional mit, schockiert, gibt Hoffnung, ist lehrreich – die ganze Palette. Es öffnet einem die Augen und wirbt um Verständnis. Sprachlich ist es herausragend. Peer Martin hat wieder ein ganz großartiges Werk geschaffen, das ich allen Lesenden ab 16 Jahren empfehlen möchte, am besten im Anschluss an den 1. Band.

Die Trilogie:
1. Sommer unter schwarzen Flügeln
2. Winter so weit
3. Feuerfrühling

★★★★★

Herzlichen Dank an den Oetinger Verlag, der mir freundlicherweise ein Rezensionsexemplar zugeschickt hat.