Rezension

Die Götter geben sich die Ehre

Göttersommer - Sascha Kersken

Göttersommer
von Sascha Kersken

Bewertet mit 5 Sternen

Was wäre, wenn der liebe Gott oder, wie in unserem Falle, die Götter des Olymp plötzlich beschließen würden, die armen, unwissenden, umherirrenden Menschen nicht weiter ihrem Schicksal zu überlassen sondern zu ihnen herabzusteigen und lenkend in das Weltgeschehen eingreifen würden?

Sascha Kersken lässt genau das in seinem Roman geschehen, als in Athen auf der Höhe der Verhandlungen anlässlich der Wirtschaftskrise die Situation so verfahren ist, dass von göttlicher Seite eine Einmischung erforderlich erscheint, um den sich streitenden Verhandlungspartnern mit sanfter oder auch nicht so sanfter Gewalt einen Weg aus der Misere zu weisen.

Und damit beginnt eine höchst amüsante Erzählung, die mich bis zum Ende aufs Beste unterhalten hat!
Eine Handvoll Götter erscheint und bemächtigt sich einiger Schlüsselfiguren der Verhandlungen, denen sie zu einer neuen, ihnen genehmeren Sichtweise nicht nur in ihrer Haltung gegenüber dem bankrotten Griechenland, sondern auch auf das Leben im allgemeinen und ihr eigenes im besonderen verhilft.

Doch Uneinigkeit herrscht nicht nur unter den Sterblichen!
Auch die Götter untereinander sind sich nicht grün; und der Leser erfährt, dass sie sich keineswegs einmütig für eine Intervention in den Lauf der Dinge entschieden haben!
Insbesondere sind es Artemis, Poseidon und Pan, die die gegnerische Fraktion anführen und bald ebenfalls in Athen auftauchen, um die hilfreichen Absichten von Hades, Athene, Aphrodite, Ares, Eris und Hermes zu vereiteln. Und das versuchen sie mit allen Mitteln, die ihnen in imponierendem Ausmaß zur Verfügung stehen, wobei ihnen weder an Fairness gelegen ist noch sie sich an irgendwelche getroffenen Abmachungen gebunden fühlen.

Beide Fraktionen versichern sich der Unterstützung einer stetig wachsenden Anzahl von Menschen; Radio, Fernsehen, Internet, Zeitungen sind voll von ihrem sensationellen Erscheinen und ihren spektakulären Aktionen auf der Erde. Keiner zweifelt bald mehr an ihrer göttlichen Identität.
Ganz Athen spricht kaum mehr von etwas anderem, als es gebannt mitverfolgt, was sich da an Unglaublichem, Skurrilen, Niedagewesenen abspielt, das schließlich in einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen beiden Göttergruppen und ihren menschlichen Gefolgsleuten auf einer rasch dafür hergerichteten Insel gipfelt....

Was für eine - göttliche - Komödie, die Sascha Kersken da vor den Augen des Lesers inszeniert!
Er kennt seine Götter gut! Und gemäß den Eigenschaften, die ihnen in der Mythologie zugeschrieben werden, lässt er sie agieren, - zur hellen Freude des diesbezüglich ein wenig bewanderten Lesers!
Man mag versucht sein, die Methoden zu kritisieren, mit denen die Götter ihre erwählten Sterblichen gefügig machen und auf ihre Zwecke konditionieren, denn nicht immer haben die Menschen eine Wahl, oft tun sie etwas gegen ihren Willen, können dem aber keinen Widerstand entgegen setzen.
Dann gilt es, sich bewusst zu machen, dass wir es hier mit nichts anderem als einem Märchen zu tun haben, mit "Fantasy", um es modern und zeitgemäß auszudrücken, das den Leser mit urkomischen Szenen, die gelegentlich an Slapstick erinnern vor allem unterhalten, das aber - wie es in den meisten Märchen der Fall ist - durchaus auch nachdenklich machen möchte.
Und das gelingt, so meine ich, dem Autor in seiner speziellen Art des Erzählens vorzüglich!
Denn - am Ende erkennen die Menschen, und der Leser mit ihnen,  dass auch der vermeintlichen Allmacht der Götter Grenzen gesetzt sind, und dass Probleme nicht einfach über Nacht - und mit nur einem Buch - aus der Welt geschafft werden können.
Auf eine Fortsetzung darf gehofft werden...