Rezension

Die kleinen Geheimnisse des Lebens

Love Letters to the Dead
von Ava Dellaira

Bewertet mit 4 Sternen

Laurel hat ihre große Schwester May schon immer vergöttert, weil sie lebensfroh schien und alles unter Kontrolle zu haben schien. Sie tat alles, um ihr zu gefallen und so viel Zeit wie möglich mit ihr zu verbringen. Aber eines Tages stirbt May, wodurch Laurel in ein emotionales Chaos gestürzt wird. War es ihre Schuld? Hätte sie es verhindern können? Da sie außer May niemanden hat und die Leute sie auch eher bemitleiden, als wirklich für sie da zu sein, kann sie mit niemandem über ihre Gedanken reden. Doch irgendwann muss sie in Englisch einen Brief an eine tote Persönlichkeit schreiben. Schnell merkt sie, wie befreiend dieses Schreiben für sie und kann nicht mehr aufhören. Immer mehr verarbeitet sie ihre Gedanken und findet so auch langsam aber sicher zu sich selbst...

Ich war sehr neugierig auf dieses Buch, weil ich den Titel schon sehr eindrucksvoll fand. Ich hoffte, dass es sich nicht als oberflächliches Buch entpuppen würde, weil die Grundidee von sich aus so viel bietet.
In dieser Hinsicht bin ich auf jeden Fall nicht enttäuscht worden, auch wenn das Buch meinen Erwartungen nicht so ganz gerecht werden konnte.

Die ganze Geschichte wird anhand von Briefen erzählt, was aber kein großer Unterschied zu normalen Büchern ist, da lebensnahe Szenen immer wieder detailliert geschildert werden. Es handelt sich hier also nicht nur um philosophische Abhandlungen, auch wenn Laurel immer wieder die Vergangenheit Revue passieren lässt und sich frag: "was wäre, wenn...?"
Dementsprechend angenehm ist das Buch auch zu lesen. Der Schreibstil ist fesselnd und an die Alltagssprache angelehnt, weil eben die Briefform als Erzählversion gewählt worden ist. Dadurch kann man sich als Leser auch noch viel besser in das Geschehen hineinversetzen und sich mit Laurel identifizieren.

Laurel war mir von Anfang an sympathisch. Man merkt, was für eine gebrochene Persönlichkeit sie ist und wie die Einsamkeit sie zerfrisst. Immer wieder hatte ich das Bedürfnis sie am liebsten in den Arm zu nehmen, weil ihr so viel Schlimmes widerfährt.
Ihre Entwicklung in diesem Buch ist enorm: sie findet über einige Hindernisse immer mehr zu sich selbst und gibt nicht auf, auch wenn es noch so ausweglos erscheint. Sie entwickelt sich von einer atmenden Hülle zu einem fröhlichen Lebewesen, welches sich nicht unterkriegen lässt.
Allerdings muss ich gestehen, dass mir das Ende nicht so gut gefallen hat, da es meiner Meinung nach zu glatt war. Da hätte ich mir wirklich mehr erhofft und war schon ein wenig enttäuscht.

Auch die anderen Charaktere sind sehr spannend und keine Klischeetypen. Über sie erfährt man zwar viel, aber ist ihnen nie so nah wie Laurel selbst, was ja auch gewollt ist. Dennoch identifiziert man sich mit ihnen und leidet mit ihnen. Denn Laurel beschreibt nicht nur ihr eigenes Leid und ich denke, dass das genau das ist, was so wichtig an diesen Briefen ist: sie bemitleidet sich nicht selbst.

Insgesamt ist dieses Buch wirklich lesenswert, weil es sich mit der Problematik des Sterbens auseinandersetzt bzw. mit den Problemen, mit denen sich die Zurückgebliebenen auseinandersetzen müssen, wenn plötzlich ein geliebter Mensch fehlt.
Trotz dieses ernsten Themas hat mir das Buch entspannte Lesestunden bereitet, die ich sehr genossen habe.