Rezension

Die kranke Seele

Das geheime Leben der Seele - Sabine Wery von Limont

Das geheime Leben der Seele
von Sabine Wery von Limont

Bewertet mit 3 Sternen

Unser Gehirn ist eine Assoziationsmaschine. Immer wenn wir etwas erblicken, geht uns blitzartig durch den Kopf, was man damit alles machen kann. Auf dem Küchentresen zum Beispiel liegt das große scharfe Messer. Wir wissen, dass wir damit prima Zwiebeln hacken können, aber theoretisch können wir es auch jemanden in den Bauch rammen.

Das geheime Leben der Seele.
Wieso wir sind, wie wir sind.

Ich finde das Thema "Seele" ~ was ist sie überhaupt, was weiss man mittlerweile über sie, was sind die neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse über das "unsichtbare" Organ, das Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten suchen ~ hochinteressant. Deswegen war ich auch begeistert, als ich dieses Buch entdeckt habe. Nur leider hält der Inhalt nicht, was der Titel verspricht; der hätte eher "Die kranke Seele" lauten müssen, denn um nichts anderes geht es der Verhaltenstherapeutin.
Okay, ist ja auch nicht uninteressant, da nochmal fundiert in die Tiefe zu gehen, habe ich gedacht....

Die Autorin gibt einen allgemeinen, für Laien verständlichen Einblick in die menschliche Psyche. Mir etwas zu oberflächlich, einseitig und allgemein gehalten - oftmals nur nach Schema F (Strategie ist nie eine bewusste Entscheidung), ohne auch mal über den Tellerrand zu schauen und vielleicht auch mal interessante Abweichungen darzulegen. Es geht viel um Glaubenssätze bzw. Schemata.

Zu Beginn gibt es eine kurze Übersicht über das limbische System und die einzelnen Botenstoffe. Eine Einleitung zum Thema "Seele" -was verstehen wir darunter- hat mir komplett gefehlt.

Auch von dem Thema Vorgängergenerationen und Kriegsschäden, habe ich mir mehr versprochen. Tatsächlich beruft man sich hier viel auf Erziehung und (unbewusste) Nachahmung, nichts von Vererbung, Genetik, kollektives Bewusstsein etc.

Wer noch nie von einer Persönlichkeits-, Angst-, oder Zwangsstörung gehört hat, für den wird die kurze Übersicht sicher interessant sein. Auch hier wiederholt die Autorin sich in Glaubenssätzen und dadurch enthält eine z.T. nur 1-seitige Zusammenfassung wenig Hintergrundinformationen.

Schräg finde ich solche Aussagen, wie: Wenn ich Mitgefühl mit Tieren habe, dann mache ich einen Umweg um den Hähnchengrill. Wer sich diesen Satz mal auf der Zunge zergehen lässt, erkennt ein wenig die Richtung und Tiefe der Aussagen. So gesehen, hat niemand, der Fleisch isst, ein Mitgefühl für Tiere und ich als Vegetarierin dürfte nicht in meinem Supermarkt einkaufen, weil davor ein Hähnchengrill steht. Jetzt mal ganz überspitzt.
Und ein gedankliches Abschweifen beim Autofahren als eine Light Version der Dissoziation zu bewerten, finde ich leicht übertrieben und wenn, dann sollte man da schon mal näher drauf eingehen.
Solche lapidaren Aussagen erwarte ich einfach nicht, in einem wissenschaftlich fundierten Buch.

Im letzten Abschnitt stellt die praktizierende Verhaltenstherapeutin dann noch kurz die Therapien vor. Scheinbar das Non plus Ultra, dabei kommt sie gefühlt richtig in Fahrt. Aber auch hier fehlen mir wieder alternative Denkansätze.

Fazit: Was mir an dem Buch wirklich gefällt, ist, dass die Autorin quasi eine Lanze bricht für die "unsichtbaren", die psychischen Erkrankungen, die halt nicht so einfach zu erkennen sind, wie Körperliche.
Und alles in allem ist das Buch auch ganz okay, aber ich persönlich habe mehr erwartet auf knapp 350 Seiten.