Rezension

Die Leiden der jungen M.

Red Queen 2. Glass Sword - Victoria Aveyard

Red Queen 2. Glass Sword
von Victoria Aveyard

Bewertet mit 1 Sternen

Am Ende ihrer Ausbildung zur Drehbuchautorin wagte Victoria Aveyard einen mutigen Schritt. Sie zog zu ihren Eltern zurück, um ein Buch zu schreiben. Kein Drehbuch, sondern einen Roman. Sie setzte alles auf diese eine Karte: „Red Queen“. Glücklicherweise fand sie für ihr Manuskript sofort eine Agentin, die es an HarperTeen verkaufte. Mit 25 stürmte sie die Bestsellerlisten. „Glass Sword“ ist der zweite Band der Reihe, der ebenso erfolgreich wie der Auftakt wurde.

Eine gerechte Welt – Mare Barrow glaubte, diesen Traum mit Maven zu teilen. Doch der Prinz betrog sie, die Scarlet Guard und seinen eigenen Bruder, Kronprinz Cal. Mit Hilfe seiner Mutter, Königin Elara, denunzierte er Cal als Mörder und brachte sich selbst auf den Thron. Nun sind Mare und Cal die meistgesuchten Personen in ganz Norta. Sie sind auf die Hilfe der Scarlet Guard angewiesen, werden allerdings nicht mit offenen Armen empfangen. Während Cal aggressives Misstrauen entgegenschlägt, wird Mare wie ein gefährlicher Freak behandelt. Niemand will ihr zuhören, als sie verlangt, Newbloods wie sie selbst vor König Maven zu schützen. Ihr bleibt keine andere Wahl, als auf eigene Faust nach ihnen zu suchen. Begleitet von Cal, ihrem Bruder Shade und ihrem besten Freund Kilorn versucht sie, Maven stets einen Schritt voraus zu sein, hunderte Morde zu verhindern und mit den Newbloods eine Armee aufzustellen. Aber ihre traumatischen Erlebnisse am Hof der Silvers haben Mare verändert und schon bald muss sie sich fragen, ob sie in dem Bestreben, ein Monster zu besiegen, selbst zum Monster wurde.

„Glass Sword“ handelt von einer 17-Jährigen, die eine internationale Revolutionsbewegung übernimmt. Victoria Aveyard würde sicher andere Worte wählen, um den zweiten Band ihrer YA-Reihe „Red Queen“ zu beschreiben, doch meiner Meinung nach passt diese Zusammenfassung wie die Faust aufs Auge, da sie nicht nur all meine Probleme mit diesem Buch herunterbricht, sondern auch die leise Verachtung mitschwingen lässt, die ich dafür empfinde. Ja, ich verachte „Glass Sword“. Es ist himmelschreiend unlogisch, pathetisch und zeugt von unterentwickelter literarischer Erzählkunst. Vielleicht hätte Miss Aveyard bei Drehbüchern bleiben sollen. In einem Film hätte ich mich eventuell mit der Protagonistin und Ich-Erzählerin Mare identifizieren können. Zwischen den Seiten dieser Fortsetzung steckte für mich hingegen nur eine Emotion für die melodramatische Heulsuse: Groll. Ich habe mich pausenlos über sie aufgeregt, wollte ihr Verstand einprügeln. Niemand kann mir weismachen, dass die 17-Jährige ohne militärische Ausbildung oder auch nur einen Funken strategisch-taktischen Geschicks fähig ist, eine Revolte anzuführen. Doch trotz ihrer undankbaren Haltung den Rebellen gegenüber, obwohl sie tollkühn und impulsiv enorme Risiken eingeht und durch ihre arrogante Selbstüberschätzung alle Beteiligten in Gefahr bringt, wird sie tatkräftig von der Scarlet Guard unterstützt. Klar. Jeder verantwortungsvoll agierende Kommandostab träumt ja davon, das Gelingen einer Revolution in die Hände einer unberechenbaren Jugendlichen zu legen, die eigenmächtig handelt, sich als Märtyrerin inszeniert und neue potentielle Verschwörer_innen stolz vor eine unmögliche Wahl stellt. Wäre es nicht so bedauernswert, ich könnte mich kugeln vor Lachen. Mare suggeriert den Newbloods folgendes: entweder du riskierst dein Leben im Namen einer Sache, an die du eventuell gar nicht glaubst oder der König tötet dich. Na, wie hättet ihr entschieden? Sie erwartet widerspruchslose Gehorsamkeit und Loyalität; werden ihre Motive hinterfragt, reagiert sie tobsüchtig und verliert jegliche Kontrolle über ihre Fähigkeit. Die Newbloods, die Scarlet Guard, all die enttäuschend blassen, flachen Nebenfiguren lassen sich von ihr tyrannisieren, statt ihr die verdiente saftige Ohrfeige zu verpassen und sie samt ihrer kurzsichtigen, aussichtslosen Pläne zum Mond zu schießen. Der Titel „Glass Sword“ ist irreführend; das Buch hätte ebenso gut „Die Leiden der jungen M.“ heißen können, da sich der Fokus der Geschichte ausschließlich auf Mare beschränkt, deren Horizont maximal ihr Spiegelbild umfasst. Demzufolge erschien mir der zweite Band unglaubwürdig, absurd und schlicht nicht überzeugend. Tiefe Furchen gruben sich in meine Stirn, weil ich viel zu oft nicht fassen konnte, was ich da las. Beispielsweise zaubert Victoria Aveyard in einer Phase der Stagnation einen mysteriösen Seher aus dem Hut, über den die Leser_innen nichts erfahren und der dann kommentarlos wieder verschwindet, nachdem er seine Aufgabe, neuen Schwung in die Geschichte zu bringen, erfüllte. Das ist schriftstellerisch unterste Schublade, billige Effekthascherei und hat nicht das Geringste mit einer durchdachten Konstruktion zu tun. Ich konnte die Rat- und Hilflosigkeit der Autorin förmlich schmecken. Wer ihr diese Nachlässigkeit durchgehen ließ, gehört bestraft.

Meiner Meinung nach hat Victoria Aveyard in Bestsellerlisten nichts verloren. „Red Queen“ fand ich bereits aufgrund gravierender Logiklöcher mäßig überzeugend, „Glass Sword“ schlägt dem Fass nun den Boden aus. Es ist furchtbar, eine Frechheit. Ich könnte es seitenweise auseinanderpflücken, buchstäblich und im übertragenen Sinne, denn es verging keine einzige Sekunde, während derer ich nicht jedes geschriebene Wort anzweifelte, kritisierte und angesichts der ungeschickten, fadenscheinigen Kausalzusammenhänge erschauderte. Der Gipfel ist, dass mir diese Fortsetzung nicht einmal einen Erkenntniszuwachs verschaffte. Ich habe nichts erfahren, was ich nicht längst wusste oder vermutete. Ich fühle mich um meine wertvolle Zeit und mein Geld betrogen. Daher zum Schluss eine Warnung: behandelt „Glass Sword“ mit äußerster Vorsicht und bewahrt es für Kinder unzugänglich auf. Formbare Geister sind so leicht zu beeinflussen. Wir wollen doch nicht, dass irgendjemand annimmt, dieser Schund sei gute Literatur.