Rezension

Die "little mercies" überwinden den Schmerz

Bobby - Eddie Joyce

Bobby
von Eddie Joyce

Bewertet mit 5 Sternen

Eddie Joyce, Bobby, DVA 2016, ISBN 978-3-421-04651-2

 

Eddie Joyce, der Autor dieses empfehlenswerten Romans ist in Staten Island geboren und aufgewachsen. Man spürt seinem Romandebüt auf fast jeder Seite ab, wie sehr er diesen Stadtteil von New York liebt, der unter den Bezirken New Yorks schon immer die geringste Bedeutung hatte.

 

Eddie Joyce Roman beschäftigt sich mit den Langzeitfolgen des Anschlages auf die Zwillingstürme in New York am 11. September 2001 und er hat sich eine ganz normale Familie aus Staten Island dafür ausgesucht. So wie der Familie des bei dem Anschlag ums Leben gekommenen Feuerwehrmannes Bobby Amendola geht es in New York noch vielen Familien, in denen auch nach 15 langen Jahren die Wunden, die dieser weltweit schlimmste Terroranschlag gerissen hat, längst nicht verheilt sind.

 

Das Buch handelt vom Leben der irisch-italienischen Einwandererfamilie Amendola, von Gail und Michael und ihren drei Söhnen Peter, Franky und Bobby.

In der Gegenwartsebene arbeitet Peter als erfolgreicher Anwalt in Manhattan, schlittert jedoch gerade in meine große Lebenskrise, Franky ist schwer alkoholabhängig und bekommt zum Leidwesen seiner Eltern sein Leben einfach nicht in den Griff und Bobby ist seit zehn Jahren tot.

Dessen Witwe Tina hat einen neuen Mann kennengelernt und es ist letztlich diese Tatsache, die bei allen Familienmitgliedern die Wunde des Todes von Bobby neu aufreißt. Denn Wade, so heißt der Mann, soll zusammen mit Tina zum Geburtstag von Klein-Bobby zum ersten Mal in der Familie eingeführt werden.

 

Wie werden alle das aufnehmen? Was wird geschehen? Wie wird sich die Familie in der Zukunft entwickeln?  Doch Eddie Joyce bleibt nicht nur in der Gegenwart, sondern er lässt insbesondere Gail immer wieder sich erinnern. Ihr Gedächtnis und das des auktorialen Erzählers blättern sich vor dem Leser auf wie ein Album, wie ein familiäres Tagebuch, das zurückreicht bis in Zeit der Einwanderung der beiden Familienstränge. Und es ist ein Dokument eines sich verändernden Stadtteils New Yorks.

 

Im Original trägt der 2015 bei Random House in New York erschienene Roman den Titel „Little Mercies“. Das kann man übersetzen mit „Kleine Gnaden oder Barmherzigkeiten“. Und von solchen Gnadenmomenten, von solchen Zeiten und Augenblicken der Freude in einer Familie, in der bei allen Mitglieder auch noch nach zehn Jahren immer der Schleier des Schmerzes über jeder einzelnen Seele liegt so wie damals der Staub über Manhattan, erzählt ein Buch, das mich gefangen nahm, mich berührte und mir ein Stück Geschichte erzählte von New York und Staten Island und von Basketball, jenem Spiel, das Bobby so liebte.

 

Ein Buch mit einer sanften, einer segensreichen Botschaft: so groß der Schmerz auch ist, die „little mercies“ werden ihn langsam aber sicher aushöhlen und verwandeln in neues Leben und neuen Lebenssinn.