Rezension

Die Macht der Gedanken und das Universum in uns selbst – bewegend, poetisch und bittersüß

Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken
von John Green

Bewertet mit 5 Sternen

Leise, gefühlvoll und doch gewaltig – für mich schon jetzt ein Klassiker der modernen Literatur.

„ICH ist das Wort, das am schwersten zu definieren ist.“ (S. 82)

 

Meine Meinung:

Viele Bücher bestechen durch eine komplexe Storyline, einen zum bersten gespannten Spannungsbogen, unvorhersehbare Überraschungsmomente oder schockierende und faszinierende Auflösungen zum Schluss. Das alles… braucht John Green nicht! Denn „Schlaft gut, ihr fiesen Gedanken“ ist eines dieser seltenen Bücher, die in ganz leisen Tönen daher kommen und es dennoch schaffen, ihre Leser still und heimlich um den Finger zu wickeln, zu packen und bis zum Schluss nicht mehr loszulassen.

 

Dies haben wir insbesondere Greens außergewöhnlicher Protagonistin, der 16jährigen Aza Holmes zu verdanken. Von außen betrachtet könnte man sie für einen ganz normalen Teenager in einem alltäglichen Leben halten. Doch tief in ihr drin brodeln ihre Gedanken - ständig und unentwegt – und ziehen sie immer tiefer hinab, befeuert von ihren diversen Phobien und Ängsten und bis hin zu selbstzerstörerischen Zwangshandlungen und schweren Panikattacken. Obwohl ihr das alles selbst bewusst ist, kann Aza diesem Teufelsreis nicht entkommen und denkt über sich selbst: „Ich konnte mein Leben lang nicht geradeaus denken oder auch nur einen Gedanken zu Ende denken, weil meine Gedanken keine Linien, sondern ineinander verknotete Schleifen waren, Treibsand, Wurmlöcher, die alles Licht verschluckten“ (S. 114). Trotz aller Probleme und Lasten, die Aza mit sich herumträgt, mochte ich sie doch von der ersten Seite an.

 

Das Besondere an diesem Roman ist, dass John Green seine Leser tief, ganz tief in das Leben, die Gedankenwelt, die Sorgen, Nöte und Ängste seiner Protagonistin abtauchen lässt. Mit jeder Seite, die wir umblättern, werden wir dabei Stück für Stück ein bisschen mehr zu Aza, spüren ihre Nöte und leiden mit ihr mit. Doch so schwierig alles zwischenmenschliche für Aza ist und so sehr sie mit sich selbst zu kämpfen hat – sie findet doch zwei Menschen, die ihr Halt geben und sie so lieben können wie sie ist („Holmsey, eines Tages bekommst du den Nobelpreis in Haarspalterei, und dann bin ich so stolz auf dich.“ - S. 47).

 

Man fühlt und leidet während des Lesens mit Aza mit, hofft mit ihr, zittert mit ihr und manchmal lächelt man auch mit ihr. Während Azas Gedanken unaufhörlich um die komischsten Dinge kreisen, kreisten meine Gedanken bittend darum, dass John Green doch ein Happy End für seine Protagonistin bereithalten würde. Ob diese Hoffnungen am Ende erfüllt wurden, verrate ich natürlich nicht. Hierzu möchte ich aber Aza selbst zitieren: „Das Problem bei Happy Ends ist, dass sie entweder nicht richtig glücklich sind, oder sie sind kein richtiges Ende“  (Aza, S. 272) – Ich sage nur soviel: Mir hat das Ende gut gefallen und mich mit einem wohligen Gefühl zurückgelassen.

 

FAZIT:

Leise, gefühlvoll und doch gewaltig – für mich schon jetzt ein Klassiker der modernen Literatur.