Rezension

Die Macht des geschriebenen Wortes

Balzac und die kleine chinesische Schneiderin - Dai Sijie

Balzac und die kleine chinesische Schneiderin
von Dai Sijie

Bewertet mit 4.5 Sternen

China 1971. Unter der Herrschaft Maos und während der „großen proletarischen Kulturrevolution“ (1966 – 1976) finden viele Menschen den Tod, sind psychischen und physischen Misshandlungen ausgesetzt oder werden in Arbeitslager oder Gefängnisse gesperrt. Die jungen Chinesen werden zur „kulturellen Umerziehung“ zu den revolutionären Bauern in entlegene Orte aufs Land geschickt. So auch der Erzähler und sein bester Freund Luo, die in ein kleines Dorf auf dem Berg „Phönix des Himmels“ verschickt wurden, um die ansässigen Dorfbewohner bei der harten Arbeit auf den Feldern zu unterstützen. Unerwartet stoßen sie bald auf eine Möglichkeit dem tristen, deprimierenden Alltag fernab der Heimat zu entfliehen: Ein großer Lederkoffer mit Büchern, der eigentlich verbotenen, westlichen Literatur. Mit Hilfe der Bücher und seiner einzigartigen Begabung Geschichten zu erzählen, gelingt es Luo, das Herz der kleinen Schneiderin zu erobern. Doch sehr bald zeigt sich, welchen Einfluss Literatur auf den Geist und die Gedanken haben, diese verändern kann und nicht jede Veränderung eine gute sein muss.

Dai Sijie ließ sich zu diesem einzigartigen Roman durch seine ganz eigenen Erfahrungen inspirieren, wurde er doch 1971 bis 1974 selbst zur Umerziehung in ein Bergdorf in Sichuan verschickt. Viele seiner persönlichen Erfahrungen ließ er mit in seine Geschichte einfließen. Dennoch ist das Werk weder anklagend, noch bewertend. Im Vordergrund steht allzeit die Liebe - zur Literatur, zu einer Frau und zum Leben selbst. Eine humorvolle, geistreiche und poetische Kostbarkeit, die sich für jedermann zu lesen lohnt und ans Herz geht, ohne jedoch schnulzig zu werden und mit einem recht überraschenden Ausgang.

„Wenn Sie nur einen Roman dieses Jahr lesen wollen, lesen Sie diesen, er wiegt hundert andere auf.“ von Le Figaro, Magazin.