Rezension

Die Magie der Farben - das Kaleidoskop der Liebe

Die Fäden des Glücks - Julia Fischer

Die Fäden des Glücks
von Julia Fischer

Bewertet mit 5 Sternen

Schon als junges Mädchen hat Carlotta in der Turiner Oper, wo ihre selbstbewusste Mutter Mimi als Gewandschneiderin arbeitet, Zuflucht vor den Verspottung anderer Kinder gesucht, die sie als dick und unansehnlich bezeichnet haben. Nur Daniele, der Sohn des Stofffabrikanten Giordano, ist ihr ein enger Freund und die beiden erleben so manche Abenteuer in dem Opernhaus, bis Daniele in ein Internat muss und Carlotta nie wieder etwas von ihm hört, ihn über all die Jahre aber schmerzlich vermisst. Nun besitzt Carlotta, die inzwischen zu einer schönen und selbstbewussten Frau geworden ist und insgeheim vom Bereisen der Welt träumt, zusammen mit ihren jüngeren Schwestern Rosina und Susa die kleine Damenschneiderei „La Cerentola“ in Turin. Die drei lieben es, in bunten Stoffen und leuchtenden Farben zu schwelgen und den Kundinnen, die ihr Geschäft betreten, eine individuelle Kreation auf den Leib zu schneidern, der ihrer Persönlichkeit Ausdruck verleiht und sie sich wie neugeboren fühlen zu lassen. Vor allem Carlotta lässt es sich nicht nehmen, jedem Kunden eine geheime Botschaft in den Saum zu sticken, auf dass dieser Wunsch sich erfüllen möge. Als Carlotta eines Tages die geerbte Weberei ihres Vaters verkaufen möchte, trifft sie in dem interessierten Käufer auf Vincenzo Giordano, den Vater von Daniele, der kurz davor ist, sein Unternehmen an seinen Sohn zu übertragen, um dann seinen Lebensabend im Ausland zu verbringen. Wird Carlotta auf ihren alten Jugendfreund treffen, den sie immer schon geliebt hat? Oder hat das Leben etwas anderes mit Carlotta vor?

Julia Fischer hat mit ihrem Buch „Die Fäden des Glücks“ einen sehr fesselnden und gefühlvollen Roman vorgelegt, der den Leser nicht nur mit Worten in einen Farbenrausch versetzt, sondern auch den Hauch italienischen Flairs und dem wundervollen Gefühl von Liebe, Sinnlichkeit und stilvoller Mode so nah bringt, dass es eine wahre Pracht ist. Der Schreibstil ist flüssig, detailreich und bildgewaltig, der Leser taucht nicht nur in dramatische Opernszenen ein, sondern auch in melancholische Erinnerungen und in pure Lebensfreude. Durch die lebhaften und farbenfrohen Beschreibungen der Autorin wird ein Streifzug durch Turin und seine Umgebung zu einem wahren Highlight, denn der Leser darf es hautnah erleben und ist doch unsichtbar mal an der Seite von Carlotta, Vincenzo, Mimi, Pasquale oder einer Kundin, die sich gerade überlegt, ob sie den Mut hat, die Schneiderei zu betreten, um ihr Leben zu verändern. Das Handwerk der Schneiderei wird so wunderbar in diesem Buch zelebriert, dass das Annähen von Glasperlknöpfen einem fast die Tränen in die Augen treibt, so hoffnungsvoll anmutig und traurig zugleich ist die Situation. Durch die eingewebten Verwicklungen der Personen untereinander und die nicht vorhersehbaren Wendungen ist der Leser immer wieder zum Mitdenken animiert, wie sich die Lage wohl weiter entwickeln wird. Die Autorin hat ein wunderschönes und märchenhaftes Kaleidoskop von Farben geschaffen, die je nach Lichteinstrahlung immer wieder anders leuchten, mal vorherrschen oder sich zurücknehmen und untermalt werden von den sinnlich schönen Tönen mancher Opernarie, die von Verlust, Leid, Hoffnung oder Liebe erzählen.

Die Charaktere sind sehr liebevoll und individuell ausgestaltet worden, die in ihrer Denk- und Handlungsweise alle sehr real und doch auch irgendwie märchenhaft anmuten. Es gibt den etwas schrulligen und klapprigen Butler, der auch eine kriminelle Energie zu besitzen scheint, die man gar nicht glauben will. Der Rüstmeister der Oper ist der ewig Verschmähte, der seiner Angebeteten immer zur Seite steht und vielleicht wird er doch endlich einmal von ihr erhört. Carlotta ist eine Frau, die anderen Träume erfüllt, vielleicht weil sie selbst nicht die Courage besitzt, ihre zu leben? Vincenzo ist ein erfolgreicher Geschäftsmann, der lieber in Stoffen und Farben schwelgt, als sich mit dem eigentlichen Business zu befassen. Ergreift er deshalb lieber die Flucht, in dem er das Geschäft seinem Sohn übergibt? Beatrice ist eine Goldgräberin und hält am liebsten selbst die Fäden in der Hand. Daniele will das Unternehmen in die Zukunft führen, noch es fehlt ihm die Leidenschaft für das, was er tut. Er hat sich selbst noch nicht gefunden und sucht danach. Mimi ist eine selbstbewusste Frau, die Angst vor Bindungen hat, dafür aber drei Töchter von nur ihr bekannten Vätern und einen sehr individuellen Geschmack, mit dem sie immer wieder aus der Menge heraussticht. Selbst die Protagonisten sind hier ein vielfältiger bunter Strauß von Individuen, die allerdings hervorragend miteinander harmonieren und der Geschichte auch gerade dadurch Einzigartigkeit verleihen. Man kann sie fast alle nur lieben!

„Die Fäden des Glücks“ ist ein zauberhafter gesponnener und gewebter Traum von Farben, Erinnerungen, Hoffnungen, Musik und vor allem der Liebe, der sich in das Herz des Lesers bohrt und sich dort verhakt – es gibt kein Entrinnen. Chapeau, besser geht es nicht!!! Absolute Leseempfehlung für ein sehr gelungenes Kleinod!