Rezension

Die Molinari-Schwestern

Das Mitternachtsversprechen - Mascha Vassena

Das Mitternachtsversprechen
von Mascha Vassena

Bewertet mit 5 Sternen

~~Die alleinerziehende Mutter Vera ist Journalistin und recherchiert für einen Radiosender, der starken Frauen eine Reihe widmen möchte. Auch ihre Großmutter Teresa war so eine Frau, die nach dem Krieg 1948 und dem Verlust der Eltern in Turin mit ihrer Schwester Lidia gemeinsam das familieneigene Café Molinari hat wieder auferstehen lassen, wobei sie auch die alten Familienrezepte wieder hervorholten, die sich großer Beliebtheit erfreuten. Als sie in den alten Hinterlassenschaften ihrer Großmutter ein Foto findet, ist Vera überrascht, drei Schwestern zu sehen. Wer ist die dritte Frau auf dem Bild? Vera macht sich auf den Weg nach Italien um der Geschichte auf den Grund zu gehen und schon bald steckt sie mitten in einem düsteren Familiengeheimnis.
Mascha Vassena hat mit ihrem Buch „Das Mitternachtsversprechen“ einen sehr spannenden und teils historischen Roman um Familiengeheimnisse und die Liebe vorgelegt. Der Schreibstil ist schön flüssig, bildhaft und wirkt manchmal sogar etwas melancholisch, der Leser findet sich sofort als unsichtbarer Schatten an Veras Seite und begleitet sie bei ihrem Unterfangen. Auch die Gefühle und Gedanken bleiben dabei nicht verborgen. Der Spannungsbogen wird gemächlich aufgebaut, steigert sich aber während der Handlung immer mehr bis zu einem überraschenden Finale. Besonders schön sind ist die Verschmelzung der Gegenwart mit der Vergangenheit gelungen. Durch die Kapitel wechseln sich die Zeiten oftmals ab und erzählen sowohl von der Zeit nach dem Krieg als auch die gegenwärtige Situation. Die Autorin schafft es durch geschickte Winkelzüge, den Leser immer wieder in die Irre zu führen und aufs Neue Spekulationen in Bezug auf die Handlung zu entwerfen. Die Landschaftsbeschreibungen sind so lebendig, man hat das Gefühl, durch Turin zu wandeln und alles mit eigenen Augen zu sehen. Auch das italienische Flair ist schön zu spüren, die Atmosphäre des Kaffeehauses wunderbar inszeniert. Es umweht einen der Duft nach Espresso und den Geschmack der schönen Pralinen kann man fast auf der Zunge spüren.
Die Charaktere sind individuell in Szene gesetzt und ausgearbeitet, sie haben ihre Stärken und Schwächen wie im normalen Leben. Deshalb wirken sie auch besonders authentisch und lebendig. Vera ist zu Beginn eine eher farblose Frau, mit der man erst warm werden muss, wobei das für eine Journalistin schon eher ungewöhnlich ist. Sie zeigte am Anfang noch zu wenig Biss für ihre Geschichte. Doch je mehr sie in die eigene Familienhistorie eintauchte, umso mehr nahm man die Veränderung an ihr wahr. Vera wurde mutiger und ehrgeiziger, sie stellt endlich offen Fragen und lässt sich nicht einfach abspeisen. Lidia ist eine harte Frau, die zudem recht kalt wirkt, aber sie lernt der Leser im Verlauf des Romans immer besser kennen und weiß um ihre Fähigkeiten und ihren Pragmatismus. Aurora ist eine sehr berechnende Person, die sich nur dafür interessiert, wer ihr von Nutzen sein kann. Sie will immer im Mittelpunkt stehen und gönnt niemanden etwas, wenn sie es nicht haben kann. Teresa ist eine gradlinige Frau, hilfsbereit und familienverbunden bis zu einem gewissen Grad.
„Das Mitternachtsversprechen“ ist ein sehr spannender und unterhaltsamer Roman mit historischen Anteilen, der bis zum Schluss sein Geheimnis bewahrt und so den Leser bis zum Ende in Atem hält mit jeder Menge Vermutungen um den Ausgang der Geschichte. Alle, die Familiengeheimnisse und –geschichten lieben, werden hier voll auf ihre Kosten kommen. Absolute Leseempfehlung!