Rezension

Die oberste Direktive

Meer der Dunkelheit - James L. Cambias

Meer der Dunkelheit
von James L. Cambias

Bewertet mit 4 Sternen

Auf dem Eismond Ilmatar leben hummerähnliche, intelligente Wesen unter einer einen kilometerdicken Eisschicht, deren Sozialstruktur und Verhalten von einer Gruppe Wissenschaftler erforscht wird. Es gibt allerdings eine Auflage, an die sie sich strikt halten müssen: Keine Einmischung oder Kontaktaufnahme. Diese Bedingung wurde ihnen von den Sholen, einer außerirdischen, weitentwickelten Rasse, mit der die Menschheit ein empfindliches Abkommen pflegt, auferlegt.
Doch dann begeht einer der Forscher einen verheerenden Fehler und bricht die Direktive unbeabsichtigt. Die Sholen leiten umgehend Untersuchungen vor Ort ein und bestehen auf einen Abbruch der Mission. Es kommt zu Konflikten und die Lage spitzt sich auf beiden Seiten zu. Gerät die Konfrontation außer Kontrolle? Und wie wirkt sich das auf die Ilmataraner aus?

Leseeindruck

James L. Cambias ist mit seinem Debüt ein solider (Hard)-Science-Fiction-Roman gelungen. Dabei ist er in den USA keineswegs ein unbekannter Autor, sondern hat sich bereits mit zahlreichen Kurzgeschichten sowie als Rollenspiel-Designer einen Namen gemacht.

In "Meer der Dunkelheit" (OT "A Darkling Sea", 2014) wird von Anfang an ein solides Spannungslevel aufgebaut und auch durchweg gehalten. Der Fokus liegt zunächst auf der Beschreibung von Ilmatar, der Forschungsstation und der handelnden Personen/Wesen. Jede Rasse (Menschen, Ilmataraner und Sholen) wird in sich zunächst sehr schnell abwechselnden Handlungssträngen näher beleuchtet. Dabei gibt Cambias den Ilmataranern (stellvertretend durch "Breitschwanz") den größten Raum und verwendet auch einen besonderen Erzählstil, der die Andersartigkeit unterstreicht. Aufgrund der detaillierten Beschreibung der Lebensweise, des Sozialverhaltens, dem Denken und Fühlen von Breitschwanz, sind wir ihm als Leser nicht nur sehr nah, sondern erleben quasi zeitnah das Geschehen aus seiner Perspektive mit. Das liest sich nicht nur interessant und fesselnd, sondern zeichnet diesen Roman aus. Breitschwanz ist wissbegierig, ein Wissenschaftler durch und durch, der sogar bereit ist, für mehr Wissen sein Leben zu opfern. Durch eine impulsive Handlung gerät er in eine schwierige Lage und wird zu einem Verbannten.
Aber nicht nur die blinden Ilmataraner, die sich mittels Sonar verständigen und orientieren, sondern auch die Sholen werden dem Leser interessant nähergebracht. Über sie erfahren wir mehr aus der Sicht von Tizhos, die gemeinsam mit Gishora die Untersuchungen auf der Forschungsstation leitet. Die Sholen sind sechsbeinige, otterähnliche Wesen, die über Sexualität und Hormone gesteuert interagieren (ähnlich der Bonobo-Affen). Ihre Geschichte scheint durch die beinahe eigene Ausrottung dunkel geprägt zu sein. Sie ließen ihren Planeten einst zerstört zurück und begannen auf Shalina neu, knüpften Kontakte zu anderen Spezies und trafen mit ihnen Abkommen für eine friedliche Koexistenz. Ihr Bestreben ist es, dass etwas Derartiges niemals wieder passieren darf, weder bei ihrer eigenen Rasse, noch bei anderen.
Die Parts der Menschen (aus der Perspektive von Robert erzählt) wirken da schon fast etwas blass. Durch die Interaktion mit den Sholen und den sich daraus ergebenen oft humorvollen Szenen lesen aber auch sie sich durchaus flüssig und ohne Längen.

Den Charakteren fehlt es allerdings größtenteils leider an Ecken und Kanten (Breitschwanz ausgenommen), was eine Bindung zu ihnen erschwert, andererseits handelt es sich aber nun einmal auch nicht um eine Charakterstudie. Der Fokus liegt eindeutig auf der Wissenschaft, den Technologien und dem Thema des Erstkontakts sowie seine Auswirkungen auf alle Beteiligten. Cambias will unterhalten und das Gedankenkarussell anstoßen. Das gelingt ihm hervorragend.

Letztlich besticht der Roman durch einen flüssigen, soliden Schreibstil, einer interessanten und kurzweiligen Story, die den Erstkontakt zu einer neuen Spezies thematisiert und besonders in der zweiten Hälfte an Tempo gewinnt. Welchen Einfluss hat eine Kontaktaufnahme auf das Denken und die Entwicklung aller Beteiligten? Sind die Folgen kalkulier- und vertretbar? Cambias beschreibt einen möglichen Ausgang und tut dies auf unterhaltsame und fesselnde Art und Weise.

Fazit

Für alle, die Science-Fiction-Romane mögen, ist dieser definitiv einen Blick wert. Unterhaltsam, fesselnd und besonders attraktiv durch den Fokus auf die oberste Direktive, die allen Liebhabern des Genres aus dem Star-Trek-Universum bekannt sein dürfte.