Rezension

die schwarze Qualle in meinem Inneren

Mein Herz und andere schwarze Löcher
von Jasmine Warga

Bewertet mit 4 Sternen

die Autorin:
Jasmine Warga lebt und schreibt in einem kleinen Dorf in Ohio. Sie glaubt daran, dass Ehrlichkeit das Allerwichtigste im Leben ist, und diese Ehrlichkeit kann jeder in ihren Texten spüren. Mit ›Mein Herz und andere schwarze Löcher‹ hat Jasmine Warga ein Debüt vorgelegt, das wie ein heller Stern am Himmel leuchtet.

Klappentext:

»Ich küsse ihn. Wir küssen uns! Ich versuche, mich nicht zu fragen, ob das nun richtig oder falsch ist. Mein Herz hämmert, und ich hoffe, dass sein Herz genauso wild klopft. Ich weiß, dass die Menschen einander seit tausend Ewigkeiten küssen, aber jetzt, in diesem Augenblick, fühlt es sich an, als wäre das Küssen ein Geheimnis, das nur Roman und ich kennen.«

Wenn dein Herz sich anfühlt wie ein gähnendes schwarzes Loch, das alles verschlingt, welchen Sinn macht es dann noch, jeden Morgen aufzustehen? Aysel will nicht mehr leben – sie wartet nur noch auf den richtigen Zeitpunkt, sich für immer zu verabschieden. Als sie im Internet Roman kennenlernt, scheint er der perfekte Komplize für ihr Vorhaben zu sein. Und während die beiden ihren gemeinsamen Tod planen, spürt Aysel, wie sehr sich auf die Treffen mit Roman freut, wie hell und leicht ihr Herz sein kann. Und plötzlich ist der Gedanke, das alles könnte ein Ende haben, vollkommen unerträglich ... Aysel beginnt zu kämpfen. Um ihr Leben. Um sein Leben. Und um ihre gemeinsame Liebe.

Eine Geschichte über zwei, die den Tod suchen – und die Liebe ihres Lebens finden
Zitate: 
 

Ich habe noch keine Seite gefunden, die direkt für unerwünschte Töchter psychotischer Schwerverbrecher gedacht ist, deshalb ist Smooth Passages für mich im Moment noch die passende Adresse. S. 17 

Das ist sicher ein Zeichen aus dem Kosmos - wenn du nur ein einziges Mal im Leben Glück hast und das ausgerechnet bei der Planung deines Selbstmords, dann ist es wirklich an der Zeit, dich zu verabschieden. S. 22

"Alles erschien mir immer so endgültig, so unentrinnbar, so vorherbestimmt. Aber ganz langsam fange ich an zu hoffen, dass das Leben mehr Überraschungen bereithält, als ich je geahnt habe." S. 290

Charaktere:

Aysel und Roman. Zwei junge Menschen, die sich zu Beginn der Geschichte noch gar nicht kennen, sind so gleich und doch irgendwie ganz anders.
Während Aysel an dem schweren Verbrechen ihres Vaters zu knabbern hat, ist es hauptsächlich die Angst so zu werden wie er, die ihr Leben nicht mehr lebenswert macht.
Es gibt niemanden, der sie vermissen würde. Fremde tuscheln hinter ihrem Rücken und selbst ihre Mutter will sie nicht -zu sehr erinnert Aysel sie an ihren Vater… Letztendlich sieht sie ihre Zukunft als schwarzes Loch, dass sie zu verschlingen droht. Es gibt nur einen Ausweg für sie und dieser besteht im Suizid.
Aus Angst, es nicht richtig zu machen und am Ende eventuell querschnittsgelähmt zu sein, oder gar oder zu kneifen, trifft sie einen folgenschweren Entschluss: Sie braucht einen Selbstmordpartner.

Das ist der Punkt, an dem Roman ins Spiel kommt. Roman wird von Selbstvorwürfen zerfressen, denn es ist seine Schuld, dass seine Schwester nicht mehr lebt. Während Aysel versucht, ihr Leben mir viel Sarkasmus und Humor zu überstehen, ist Roman ernst und in sich gekehrt. Er trauert und will seine letzten Tage in seiner gewohnten Art, leise und unbemerkt, hinter sich bringen. Er interessiert sich nicht für Spaß oder gar Dinge, an denen er sich erfreuen könnte. Er hat nur ein Ziel. Sterben. Und das um jeden Preis. Seine höchste Priorität ist ein Selbstmordpartner, der keine Niete ist.

So finden sie sich und sind gemeinsam einsam…

Aber ist wirklich alles so, wie es den beiden erscheint? Wäre die Welt ohne die beiden besser dran? Falls ja, wäre es nach ihrem Empfinden der perfekte Plan. Aber… was, wenn nicht???

Meinung:

Die Grundidee der von Ängsten, Depressionen und Kälte, aber auch von Hoffnung und Emotionen geprägten Geschichte über Aysel und Roman ist sehr beklemmend. Aber was soll man auch bei einer Protagonistin erwarten, deren Lieblingsinternetseite eine Plattform für Selbstmord ist und deren Vater ein psychotischer Schwerverbrecher ist?

Der Einstieg in die Geschichte ging für mich sehr locker von der Hand. Die Kombination von Aysels sarkastischer, zynischer Art, die einen oft schmunzeln lässt, und den Selbstmordgedanken, ist zwar irgendwie makaber, lockert aber auch immer wieder die Stimmung etwas auf.

Leider hält das nicht die gesamte Geschichte an, was zwar auf Grund der Thematik verständlich ist, aber stellenweise die Stimmung doch sehr schwer werden lässt. Ab und an war ich gezwungen das Buch, obwohl es durchweg packend ist, aus der Hand zu legen, um etwas anderes zu tun. Ein fröhliches Lied hören zum Beispiel ;)

Der Schreibstil ist fesselnd, so bekommt man z.B. viele Infos, auf die man HÄNDERINGEND hofft, nur nach und nach. Und ganz im Gegensatz zum Ernst der Lage ist er dennoch humorvoll und dabei so intensiv, dass er oftmals ein immenses Grübeln über das Thema an sich bewirkt, aber auch darüber, was es für das Umfeld bedeuten würde. 
Gerade an Stellen, die mit Romans Mom verknüpft sind, habe ich jedes Mal darüber nachdenken müssen, wie es für eine Mutter sein muss, ZWEI Kinder zu verlieren. Es ist ja schon schwierig an dem Verlust von einem Kind nicht zu zerbrechen…

Trotz des schwierigen Themas, ist „Mein Herz und andere schwarze Löcher“ ein ganz tolles Buch, das von Anfang an fesselt. Eine total faszinierende, sehr emotionale Reise, die ich sehr gerne angetreten bin. Viele Emotionen und schöne Charaktere ließen mich das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Ich hoffe, dass die Geschichte Mut macht auf Betroffene zuzugehen, sollte man ihnen begegnen. Oder, sollte man selbst betroffen sein, den Mut sich helfen zu lassen, oder es zumindest zu versuchen.

Wie viele solcher tragischer Schicksale wohl verhindert werden könnten, würde die Gefahr öfter rechtzeitig erkannt werden??

Das Ende war für mich anders als erwartet, aber da wird natürlich nichts verraten ;) Leider gab es ein paar Punkte die offen blieben, deren Aufklärung ich sehnsüchtig erwartet hatte. Z.B. warum Aysels Vater nicht da ist, wo er eigentlich sein sollte? Das hätte mir anders besser gefallen.

Überrascht hat mich das wirklich tolle und sensible Nachwort der Autorin, die uns auffordert, uns immer um für uns wichtige Menschen zu kümmern und für sie da zu sein. Sehr schön!
Vielen herzlichen Dank an Lovelybooks und den FISCHER Sauerländer Verlag für dieses Leserundenexemplar!