Rezension

Die Tierquälerei war meine Grenze

AUF LEBEN UND TOD - Martin S. Burkhardt

AUF LEBEN UND TOD
von Martin S. Burkhardt

Bewertet mit 2.5 Sternen

Cover:
Das Cover von "Auf Leben und Tod" ist sehr prägnant. Zentral und für den Betrachter sofort ins Auge stechend ist eine Frau mit wutverzerrtem und blutverschmiertem Gesicht. Einem Gesicht, das zu allem fähig scheint. Unterhalb des Titels ist ein altes Haus auf dem Land abgebildet. Der Himmel ist düster. Beide Bilder sind sinnbildlich für dieses Buch und passen daher gut auf das Cover. Die Frau: eine Gefangene aus Henrys "Königreich"; das Haus: sein Elternhaus.

Die Story:
Im ersten Erzählstrang möchte das Buch dem Leser aufzeigen, was geschehen kann, wenn man als Kind von seinen Eltern seelisch misshandelt wird. Man wird zu jemandem wie Henry. Henry versucht aus seinem Dasein als Prügelknabe auszubrechen und entwickelt sein eigenes kleines Königreich. Nur leider geht dies nicht mehr nur über die Theorie hinaus...
Die zweite Handlung zeigt uns, wie Menschen werden können, wenn sie jahrelang eingesperrt sind und nur einem Menschen "gehorchen". 
Ausnahmen bestätigen in beiden Fällen die Regel, und Herr Burkhardt präsentiert uns hier eher die Ausnahmen. Thematisch durchaus interessant und sicherlich nicht für jedermann etwas - vor allem nicht für die sanfteren Gemüter unter uns. Der Autor spielt hier ausgefallen mit der Frage "Was wäre, wenn...".
Nicht ganz schlüssig ist mir allerdings, wieso die ersten richtigen "Bewohner" von Henry keine Fluchtgedanken hatten. Wieso sie sich dem freiwillig ausgesetzt haben. Denn sie hatten, soweit ich das verstanden habe, noch eine Wahl. Daher ist es für mich nicht ganz logisch.

Die Charaktere:
Henry ist als kleiner Junge neugierig, wissbegierig und intelligent. Wie ein Junge seines Alters sein sollte. Doch die seelischen und körperlichen Misshandlungen seiner Eltern richten ihn zugrunde. Schläge gehören zur Tagesordnung, Pein und Demütigungen ebenso. Seine Mutter vergeht sich sogar sexuell an ihm. Wer kann da noch glauben, dass so etwas keine Narben hinterlässt?
Irgendwann wendet sich das Blatt und als er alt genug ist, schlägt er im wahrsten Sinne des Wortes zurück. Er rächt sich nicht nur an seinem Vater, sondern quält auch unschuldige Tiere und - denn darum geht es ja in diesem Buch - Menschen.
Die Art und Weise, wie Henry sich entwickelt und die Dinge, die er anderen antut, brachten mich zu der Erkenntnis, dass nicht die Kindheit allein für die Entwicklung eines Kindes verantwortlich ist, sondern dass auch Veranlagung mit hinein spielen muss. Zumindest kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass man allein durch frühe Misshandlungen SO werden kann. In diesem Fall stimmt im Kopf von Henry schon etwas grundlegend nicht.
Henry ist jenseits von Gut und Böse und ich empfand für ihn nur anfangs eine kleine Spur Mitleid. Seine späteren Taten haben mich davon überzeugt, dass er ein Charakter ist, den man nicht mögen kann. Daher fehlt hier absolut die Identifizierung von Leser zu Hauptprotagonist, die normalerweise vonstatten geht.
Es gibt hier allerdings noch einen zweiten Hauptcharakter: Aldiana. Sie ist gefangen in Henrys späterem "Königreich" unter der Erde und seine Tochter. Bei ihr spürt man etwas mehr Menschlichkeit, auch wenn sie, genau wie alle anderen unter Henrys Regime, Kämpfe gegen ihre Mitbewohner ausstehen muss und sie auch vor dem Tod nicht zurück schreckt.
Die weiteren Charaktere sind eher blass gezeichnet und besitzen keinen Tiefgang. Das ist bei diesem Buch aber auch nicht notwendig.

Schreibstil:
Herr Burkhardt hat einen flüssigen Schreibstil, dem man gut folgen kann. Allerdings fehlte für mich der nötige Sog. Es kam keine richtige Spannung auf, wodurch die Geschichte sich eher wie eine Abhandlung/Erzählung las.
Positiv fand ich die Aufteilung des Inhalts in 2 Erzählstränge: Henrys Kindheit und das Leben im unterirdischen Bunker. Mit den Geschichten aus Henrys Kindheit wird man nach und nach heran geführt und die beiden Erzählstränge fließen logisch ineinander über.
Die Szenen, die der Autor hier einbaut, sind stellenweise echt brutal. Man muss so etwas ertragen können, sonst ist das Buch ein Fehlkauf. Ich habe schon viele harte, eklige und gruselige Bücher gelesen und bin dadurch ganz gut abgehärtet. Dachte ich jedenfalls. Denn der Autor zeigt mir mit "Auf Leben und Tod" eine Grenze auf: Für wen Tierquälerei zu weit geht, der sollte die Finger von diesem Buch lassen. Ich möchte nicht darüber streiten, ob dieses Thema überhaupt in ein Buch gehört, denn das ist absolute Geschmackssache. Ich möchte nur davor gewarnt haben. Ich jedenfalls habe Seiten überblättern müssen (das mache ich sonst nie!), weil es mir echt zu viel wurde.

Das Ende:
Für mich blieb die entscheidende Dramatik aus, um dem Ende das gewisse Etwas zu verleihen. Der Schluss konnte mich einfach nicht mitreißen.

Fazit:
Die Thematik ist zwar durchaus interessant, aber durch die fehlende Identifizierung mit den Charakteren und der ausbleibenden Spannung konnte mich das Buch leider nicht begeistern. Auch waren die Szenen über Tierquälerei nicht mein Fall.
2 1/2 von 5 Isis'